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Flüchtlinge 20 Personen sind untergetaucht

Nicht jeder Flüchtling, der im Landkreis Stendal auf Bleiberecht hofft, bekommt es. Manche tauchen aus Angst vor Abschiebung unter.

Von Egmar Gebert 21.06.2017, 01:01

Stendal l Derzeit leben im Landkreis 948 Flüchtlinge, die sich in Deutschland um Asyl bewerben. Stand 19. Juni. Die Zahl, die Landrat Carsten Wulfänger (CDU) vor einer Woche während der Kreistagssitzung nannte, war höher (1136).

Nicht geändert hat sich die Zahl der Asylbewerber, die „untergetaucht“ sind, wie es der Landrat formulierte. Seit Jahresbeginn sind das 20 Flüchtlinge. Zwölf davon  im ersten Vierteljahr 2017. Die meisten dieser Personen, so Wulfänger, seien seit 2014 im Landkreis gemeldet gewesen. Wo sie sich heute aufhalten? „Wir wissen es nicht“, sagt Wulfänger unumwunden.

Zu den Gründen ihres Verschwindens kann trefflich spekuliert werden. Fakt scheint zu sein, dass die steigende Zahl der untergetauchten Flüchtlinge mit dem erhöhten staatlichen Druck zusammenhängt. Jacqueline Krehl, als Sachgebietsleiterin in der Kreisverwaltung für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen zuständig, ist davon überzeugt. Sie erläutert: „Die Asylbewerber haben eine Mitwirkungspflicht. Und darauf drängen wir, zum Beispiel, wenn es auf die Vorlagen von Papieren geht.“

Um einen Antrag auf Asyl stellen zu können, muss zum Beispiel die Identität der Person nachgewiesen sein. Es braucht einen Pass, ein Personaldokument also. Auf die Vorlage eines solchen Dokuments wird gedrängt. Sind diese Papiere verloren gegangen – ein in solchen Fällen oft vorgebrachtes Argument – , wird verlangt, diese Papiere wiederzubeschaffen. „Da gibt es dann Leute, die Angst haben, dass sie bei Vorlage dieser Papiere direkt abgeschoben werden, was ja gar nicht so ist.“

Einen weiteren Grund, seinen Aufenthaltsort zu verlassen, ohne sich abzumelden, sprich „unterzutauchen“, sieht Krehl in folgender Tatsache: Flüchtlingen, bei denen zu erkennen ist, dass sie kein Interesse haben, sich um entsprechende Papiere zu kümmern, wird kein Geld mehr ausgezahlt. Ihnen werden stattdessen Warengutscheine ausgehändigt. Auch das wird fälschlicher Weise als direkte Vorstufe zur Abschiebung verstanden und kann somit Auslöser für das Verschwindens aus dem zugewiesenen Landkreis sein.

Meistens handele es sich bei den untergetauchten Personen um Alleinreisende. Größere Familien würden das damit verbundene Risiko, dann überhaupt keine sozialen Leistungen zu bekommen, nicht eingehen.

Auch wenn nicht bekannt ist, wo sich diese Flüchtlinge aufhalten – manche reisen in ein anderes Land weiter oder zurück oder kommen irgendwo in Deutschland unter – „vergessen“ werden sie nicht. Jacqueline Krehl: „In jedem dieser Fälle wird Anzeige erstattet. Die betreffende Person wird dann zur Fahndung ausgeschrieben. Taucht sie irgendwo wieder auf, werden wir informiert und die Person aufgefordert, zurückzukehren.“ So zumindest der theoretische Verfahrensweg. In der Praxis hat der Landkreis damit kaum Erfahrungen sammeln können. In der Zeit, in der Jacqueline Krehl das Sachgebiet Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen im Landkreis leitet – sie tut das seit 2016 – kennt sie einen Fall, in dem ein untergetauchter Asylbewerber auf diesem Weg nach Stendal zurückgekommen ist.

Apropos Abschiebung: Auch die gab es in diesem Jahr bereits, bis zum Beginn dieser Woche in 15 Fällen. Zwölf Personen reisten seit Jahresbeginn freiwillig in ihre Heimatländer zurück.