1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Anleger um 221.000 Euro betrogen

Gericht Anleger um 221.000 Euro betrogen

Das Amtsgericht Stendal hat zwei Altmärker wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu Haftstrafen verurteilt. Beide wurden im Gericht verhaftet.

Von Wolfgang Biermann 24.02.2018, 01:00

Stendal l Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Petra Ludwig verurteilte einen gebürtigen Tangermünder (61) und einen mitangeklagten gebürtigen Stendaler (49) – beide sind offiziell in Havelberg gemeldet – wegen Betruges in elf Fällen zu je dreieinhalb Jahren Gefängnis. Außerdem müssen sie an zwei ihrer elf Betrugsopfer insgesamt 34 500 Euro zuzüglich Zinsen als Schadensersatz zahlen. Und nicht nur das.

Am Ende des langen Prozesstages erschienen Polizeibeamte im Gerichtssaal. Richterin Petra Ludwig ließ die Angeklagten festnehmen. Haftbefehl wurde erlassen, und sie kamen sofort „wegen Fluchtgefahr“ in Haft. Das Anlegen der Handschellen blieb ihnen jedoch erspart. Den bei den Betrügereien ergaunerten Gesamtschaden bezifferte das Gericht mit 221.500 Euro.

„Die Angeklagten – und das steht für das Gericht außer Zweifel fest – hatten von Anfang an vor, den Anlegern das Geld aus der Tasche zu ziehen.“ Die Richter sahen es am sechsten Prozesstag nach Anhörung der Opfer sowie weiterer Zeugen als erwiesen an, dass die mehrfach, auch einschlägig vorbestraften Angeklagten von 2010 bis 2014, „kurz nach Ablauf ihrer letzten Bewährungszeit, ein neues Betrugsprojekt entwickelt haben und in die Solarbranche eingestiegen sind“. Getreu dem Motto „Die Sonne verdient das Geld“, wie Richterin Ludwig ausführte. Gemäß Anklage der Staatsanwaltschaft Magdeburg, der die Richter mit ihrem Urteil in Gänze folgten, gründeten die Angeklagten elf Solar-Invest-Kommanditgesellschaften (KG) und warben dafür Anleger in der Altmark und andernorts ein.

Die Angeklagten – beide hatten im Prozess geschwiegen – versprachen ihnen laut Urteil sagenhafte Renditen. So sollten die Anleger beispielsweise für die Einlage von 30.000 Euro innerhalb kürzester Zeit jeweils 190.000 Euro an Mehrwertsteuererstattungen vom Finanzamt und/oder Einspeisungsvergütungen und ähnliches als langfristige Geldanlage erhalten. Doch kaum hatten die Anleger, die teils Kredite aufnahmen oder ihre Altersvorsorge opferten, Beträge zwischen 3000 Euro und 30.000 Euro in die Kommanditgesellschaften eingezahlt, hob der 49-jährige Angeklagte die Beträge fast vollständig „zeitnah“ wieder ab, hieß es in der Urteilsbegründung. Insgesamt 221.500 Euro gelten laut Gericht als verschwunden.

„Zum Zwecke der Verschleierung“ hatten die Angeklagten demnach einen Arbeitslosen als persönlich haftenden Gesellschafter gewonnen. Einen Arbeitslosen, der sich wohl wie die Anleger von den Versprechungen blenden ließ. Und von dem sich der 49-Jährige laut Urteil umgehend Vollmacht über alle elf Kommanditgesellschaften erteilen ließ. Ein Versicherungsvertreter „auf absteigendem Ast“ führte den Angeklagten etliche seiner Kunden als Anleger zu.

Als „Frechheit sondergleichen“ bezeichnete Richterin Ludwig das sogenannte Nachtatverhalten der Angeklagten. Demnach sollen sie „versucht haben, die Opfer noch weiter auszubeuten“, indem sie ihnen im Vorjahr Rechnungen zur Abnahme von Solaranlagen zugestellt hätten. Auf gewerbsmäßigen Betrug stehen laut Richterin Ludwig sechs Monate bis zehn Jahre Gefängnis, wobei das Amtsgericht nur maximal vier Jahre ausurteilen darf. Die hatte der Staatsanwalt auch beantragt.

Jedoch sah das Gericht „einen einzigen Milderungsgrund“, davon abzuweichen. Und das sei die seit den Taten vergangene Zeit.

Die Angeklagten erwartet am Landgericht in Frankfurt (Oder) ein ähnlicher Prozess, bei dem es um 150.000 Euro geht, wie Richterin Ludwig aus der dortigen Anklage öffentlich machte. Die dort mögliche Straferwartung und die jetzt ausgesprochenen dreieinhalb Jahre nannte sie als Gründe für den Erlass des Haftbefehls. Ein weiterer: Die Angeklagten hatten als Wohn- und Firmensitz eine Adresse in Havelberg angegeben. Doch die ist laut Polizei, die in dieser Woche vor Ort war, gar nicht bewohnbar. Es gebe dort keinen Strom, kein Wasser und keine Heizung – „nur Müll“. Dort werde in Kürze renoviert, so die Angeklagten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Berufung und Revision sind möglich.