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Bewährungsstrafe Angestellte um 30.000 Euro betrogen

Eine Altmärkerin ist Opfer einer dreisten Betrugsmasche geworden, in der auch Falschgeld eine Rolle spielte.

Von Wolfgang Biermann 22.07.2016, 01:00

Stendal l „Das Opfer hat es dem Täter sehr leicht gemacht.“ So begründete Strafrichter Thomas Schulz am Dienstag die von ihm ausgesprochene und für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzte halbjährige Haftstrafe wegen Betruges gegen einen gebürtigen Nigerianer mit schwedischem Pass. Das Opfer, eine um insgesamt 30.000 Euro betrogene kaufmännische Angestellte, bezeichnete der Richter als „sehr, sehr leichtgläubig“. Das müsse man im Urteil berücksichtigen. Außerdem handele es sich bei dem Angeklagten um „ein relativ kleines Rad in einer groß angelegten Betrugsmaschinerie“. Ob der Fall der sogenannten Nigeria-Connection zuzurechnen ist, blieb offen.

Zum Geschehen, wie es sich gemäß Anklage, den teilgeständigen Einlassungen des Angeklagten, der Aussage des Opfers und schließlich dem Urteil darstellt: Über die sozialen Medien sei sie im April in Kontakt mit einem angeblich in Afghanistan stationierten US-Soldaten namens Scott gekommen, sagte die Frau aus. Man habe sich geschrieben und auch miteinander telefoniert. Scott habe ihr mitgeteilt, dass er eine Kiste mit zwei Millionen US-Dollar (etwa 1,8 Millionen Euro) gefunden habe, diese aber nicht mit in die USA nehmen könne. Er würde es ihr in einem Paket schicken. Die Altmärkerin solle das Geld für ihn aufbewahren und dafür 40 Prozent (800 000 Euro) erhalten. Dafür müsse sie lediglich 2650 Euro über die Western Union Bank auf ein Konto in Indonesien überweisen. Die Frau tat dies. Dann sollte sie noch einmal 14 000 Euro nachschießen, sie tat es. Später überwies sie noch einmal 5500 Euro.

Doch das Paket traf nicht ein. „Das Geld ist da“, hieß es in einem Anruf am 28. Mai. Inzwischen seien aus den zwei Millionen US-Dollar schon 1,8 Millionen Euro geworden, sagte die Frau aus. Sie müsse nur einem Kurier noch einmal 8000 Euro mitgeben. Dieser Kurier sei der Angeklagte gewesen. Dem habe sie am 31. Mai auf dem Parkplatz Lüderitzer Straße, hinter dem Bahnhof in einem Umschlag die geforderten 8000 Euro übergeben. Am nächsten Tag, also am 1. Juni, gab es ein konspiratives weiteres Treffen in einem Stendaler Hotel in Bahnhofsnähe. Der Angeklagte und ein anderer, unbekannt gebliebener Mann, der sich als Diplomat ausgab, sei dabei gewesen, so die Zeugin.

Der „Diplomat“ hatte einen Aktenkoffer dabei. Darin befanden sich schwarzeingefärbte Papierbündel. Dabei sollte es sich um echte Euro-Scheine handeln, die man gegen Zahlung von 100 000 Euro „entfärben“ würde. Um den Koffer durch den Zoll zu bekommen, habe man die Scheine eingefärbt und codiert, hätten ihr die beiden gesagt, so das Opfer weiter. Dann habe der Angeklagte eine Art Zaubertrick vorgeführt, in dem er drei aus dem Aktenkoffer gezogene Scheine „entfärbte“ und in angeblich echte 500-Euro-Scheine verwandelte. Einen davon gab er der Frau zur Überprüfung der Echtheit.

Den „Rest“ der 1,8 Million Euro sollte sie am nächsten Tag erhalten, wenn sie im Gegenzug 100 000 Euro zahlen würde. Soviel habe sie aber nicht, erklärte die Frau. Daraufhin telefonierte das Duo mit einer dritten Person und reduzierte die Forderung auf 25 000 Euro. Später habe man die Forderung telefonisch aber auf 50 000 Euro heraufgeschraubt, sagte das Opfer. Sie habe ihren Bruder gefragt, ob er ihr die 50 000 Euro leihen könne. Dieser habe verneint und die Polizei eingeschaltet. Die stellte den Betrügern eine Falle. Als der Angeklagte am 2. Juni mit dem Aktenkoffer ins Hotel kam, um diesen gegen die echten 50 000 Euro zu tauschen, klickten die Handschellen. Selbstredend handelte es sich bei den eingefärbten angeblichen Euro-Scheinen nur um wertloses Papier.

„Wann kam Ihnen denn der Gedanke, dass da was faul ist?“, wollte der Richter von der Frau wissen. „Erst am 1. Juni, ich habe nicht darüber nachgedacht“, bekam er von dem bis dahin scheinbar völlig arglosen Opfer zur Antwort. Der Angeklagte hatte nur ein Teilgeständnis abgelegt. Demnach hätte ihn angeblich ein in Berlin lebender Freund aus dem Senegal um einen Freundschaftsdienst gebeten. Vom Inhalt des Deals mit dem Koffer will er nichts gewusst haben. Und den angeblichen Diplomaten, einen Mann aus Kamerun, kenne er nicht.

„Mir fehlen die Worte. So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte die Staatsanwältin im Plädoyer und forderte ein Jahr Haft auf Bewährung. Der Verteidiger sprach von einem „kuriosen Fall eines Betruges“. Er sprach sich für eine Geldstrafe aus. Der seit dem 2. Juni in U-Haft befindliche Angeklagte nahm das Urteil an und kam umgehend auf freien Fuß.