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Geschichte Als die Polizei den Kaffee verteufelte

Im Stendaler Stadtarchiv findet sich ein kurioses Polizei-Dekret. Es beschäftigt sich mit der schädlichen Wirkung von Kaffee.

Von Nora Knappe 21.07.2016, 01:01

Stendal l Womit die Polizei sich so beschäftigt... Jedenfalls scheint im Jahre 1768 eine gewisse Dringlichkeit geherrscht zu haben, sich mit dem „Mißbrauch des Caffee und Thee-Trinckens“ zu befassen. In einer Gesetzesblattsammlung veröffentlicht das „Königl. Preußl. Policey-Directorium“ angesichts „des grossen Schadens, der daraus so wohl vor die Gesundheit, als auch für das Vermögen der meisten Menschen entstehet“, entsprechende Gedanken dazu.

Parallelen zum Opium werden gezogen: Bevor der Mensch sich an Kaffee gewöhnte, habe „derselbe Schwindel, Verzückung und andere Unordnungen hervorgebracht“ – genau wie bei Leuten, die Opium zu häufig gebrauchten. Dass der Kaffee „nähre und stärke“, beruhe lediglich auf Einbildung, ganz im Gegenteil erhitze er das Blut und schwäche Gefäße und Nerven, gebe somit zu „einer beträchtlichen Menge schwer zu heilender Krankheiten Gelegenheit“.

Neben dem gesundheitlichen wird auch der ökonomische Schaden betrachtet und gleich vorgerechnet: In einer Provinz mit 100  000 Menschen gingen jährlich 887  152 Reichsthaler 18 Groschen und 8 Pfennig nur für Kaffee verloren, zumal dieses Geld ja außer Landes gehe. Soll heißen: Ein guter Patriot trinkt keinen Kaffee. „Und wieviel kostet erst der Zucker, der zur Versüssung des durch das Brennen so bitter gewordenen Caffee nöthig ist.“

Und um es kurz zu machen: Der Konsum von Tee sei nicht viel besser für die Gesundheit und es nicht wert, „vor dieses Kraut Geld aus dem Lande zu schicken“. In jeder Hinsicht empfehlenswerter sei es nun, entweder Getreide-Kaffee oder aber Zitronen-Melisse und „die bey uns überall wildwachsende Berg-Petersilge“ als Tee zu trinken.

Ob die fürsorglich-wohlmeinenden Hinweise überhaupt Gehör fanden, ist nicht bekannt. Und wenn, dann dürften der Lauf der Zeit, der Eigensinn des Menschen und seine Verführbarkeit durch Wohlschmeckendes und Modisches sie allmählich wieder zum Verblassen gebracht haben. Zahlreiche Anzeigen im „Altmärkischen Intelligenz- und Leseblatt“ machen im 19. und 20. Jahrhundert Werbung für Kaffee-Importe, für besondere Mischungen und Röstungen und zeigen: Der Kult um den Kaffee, die Gier nach dem belebenden Genussmittel ist nicht erst eine Erscheinung von heute.

In der Breiten Straße finden sich damals etliche Verkaufsfilialen und Röstereien: einer der Platzhirsche war Kaiser‘s Kaffee-Geschäft, aber auch Otto Nothmann hat Kaffee auf Lager, und bei „Thams & Garfs“ gibt es bei einer Werbeaktion zu jedem Pfund Kaffee-Korn-Mischung noch „1 Tafel Milch-Schokolade“ dazu. In der Frommhagenstraße 63 befand sich die Askania-Rösterei, und an der Ecke Frommhagen-/Prinzenstraße eröffnete Hermann Jacoby 1903 eine zweite Filiale seines Geschäftes mit Stammsitz im Hotel „Weißer Schwan“ (1905 abgebrannt).

Stadtarchivleiterin Simone Habendorf hat die Annoncen bei ihren Recherchen immer mal wieder aufgespürt. „Das ist spannend, was man auf diese Weise aus der Geschichte der Stadt, aber auch über größere Zusammenhänge erfährt“, sagt sie. Denn wenn es um Kaffee geht, geht es auch um die Herkunft der Ware und den Handel damit. So vermeldet das Altmärkische Intelligenz- und Leseblatt am 28. Juni 1887: „Von den Haupt-Kaffee-Handelsplätzen sind Nachrichten eingetroffen, daß die Kaffeepreise ganz erheblich, in Newyork sogar panikartig gefallen sind. Bisher hieß es immer, die Kaffeeernten seien schlecht gewesen, jetzt stellt es sich heraus, daß daran durchaus nichts wahres und die ganze Geschichte auf ein Börsenmanöver hinausläuft, wobei die Kaffeemänner ihr Geschäft gemacht haben. Für unsere Hausfrauen bleibt die Hauptsache, der Kaffee wird wieder billiger und hoffentlich auch besser.“