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Integration Abschiebung statt Ausbildung

Der 20-jährige Masoud Ahmadi, der in Stendal wohnt, hätte am 1. August eine Ausbildung beginnen können - doch er soll abgeschoben werden.

Von Donald Lyko 17.08.2016, 03:00

Stendal l Seit gut zwei Jahren lebt Masoud Ahmadi in Stendal. Seit März nimmt er als Gasthörer am Jugendintegrationskurs an der Inlingua-Sprachschule teil, lernt dort täglich fünf Stunden die deutsche Sprache und anderes, was ihm beim Leben in Deutschland helfen kann. Die Zwischenprüfungen der ersten beiden Stufen hat er mit guten Ergebnisse bestanden, aktuell wird am nächsten Level gearbeitet. „Er ist pünktlich und fleißig“, bestätigt Mechthild Bleuel, die die Stendaler Zweigstelle der Inlingua-Sprachschule Halle leitet, dem 20-Jährigen. Darum hat sie sich gefreut, dass es mit der Lehrstelle geklappt hat.

Nach überzeugender Probearbeit in der Küche und im Restaurantbereich sollte Masoud am 1. August bei der La Porte Hotel und Restaurant Uetz GmbH, im Feriendorf Bertingen, eine Ausbildung beginnen. Sollte, denn von der Ausländerbehörde des Landkreises Stendal ist dies abgelehnt worden – wegen der schon verfügten Abschiebung des Afghanen nach Schweden, die nun jederzeit vollzogen werden kann.

„Ich finde, da könnten Behörden unternehmenorientierter entscheiden, gerade in dieser Region, wo Fachkräfte fehlen“, fasst Mechthild Bleuel ihr Unverständnis in Worte. Masoud habe sich selbstständig um die Ausbildung gekümmert, wolle sich sein Geld verdienen. „Wir haben einen integrationswilligen, aktiven Zuwanderer und ein Unternehmen mit Fachkräftebedarf, das sehr froh ist, einen Auszubildenden gefunden zu haben – und nun das“, sagt die Schulleiterin. Im Juni wurde der Lehrvertrag unterschrieben, Anfang August hätte es losgehen können. „Und Masoud möchte gern loslegen“, versichert Mechthild Bleuel. Geht aber nicht, denn sein Asylantrag in Deutschland wurde abgelehnt, die Abschiebung nach Schweden ist vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verfügt worden. Denn im Fall des 20-Jährigen greift das sogenannte Dublin-Abkommen – sein Asylantrag wird in dem EU-Land bearbeitet, wo er zuerst gestellt wurde, und das war in Schweden. Rechtlich nachzuvollziehen, doch Mechthild Bleuel sieht es eher praktisch: „Alles, was hier in Stendal in Sachen Integration und Sprachausbildung schon gelaufen ist, würden wir noch mal einer schwedischen Kommune aufdrücken.“

Der Afghane und auch Mechthild Bleuel setzen ihre Hoffnungen nun auf das neue Integrationsgesetz. Darin werden Ausbildung und Arbeitsmarkt zu Kernpfeilern für die Integration festgeschrieben. Und es soll unter anderem für eine Ausbildung mehr Rechtssicherheit bieten – für die Gesamtdauer der schulischen und betrieblichen Ausbildung sollen die Asylbewerber den Status Duldung bekommen. Und noch eine Kernaussage lässt den 20-Jährigen hoffen: Wer sich beim Spracherwerb und der Integration auf dem Arbeitsmarkt anstrengt, soll etwas davon haben.

Im Fall von Masoud Ahmadi sieht es derzeit nicht danach aus. Trotz Ausbildungsvertrages wurde von der Ausländerbehörde des Landkreises die Aufnahme der Ausbildung versagt. Für die Ausländerbehörde gebe es „keinen Spielraum“, teilte Kreis-Sprecherin Angela Vogel auf Nachfrage mit. Denn Masoud Ahmadi habe in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt, „aufgrund dessen hat er die Bundesrepublik zu verlassen“. Die Ausländerbehörde habe ihre Arbeit an der Dublin-Verordnung der EU auszurichten.

Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg gegen die schon Anfang 2014 getroffene Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auf Rückführung/Abschiebung nach Schweden hatte keinen Erfolg, im Januar wurde im Sinne des BAMF entschieden. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter sei „unanfechtbar als unzulässig abgelehnt“ worden. Darum hat die Ausländerbehörde die Abschiebung beantragt. „Die Abschiebungsanordnung ist bestands- und rechtskräftig. Die Ausländerbehörde kann sich über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen“, erklärte die Kreis-Sprecherin.

Die Kreis-Ausländerbehörde habe, selbst mit Blick auf die Arbeitskräftesituation und die positive Integrationsprognose, nicht die Möglichkeit, anders zu entscheiden. Das Bundesamt entscheide als eigenständige Behörde über die Asylanträge. „Eine Einflussnahme/Mitwirkung der Ausländerbehörde auf die Entscheidung des BAMF ist gesetzlich nicht vorgesehen und wird auch nicht praktiziert“, erklärte Angela Vogel. Die Wünsche potenzieller Arbeitgeber könnten als Argument nicht bewertet werden. Vogel: „Im Vordergrund stehen die Voraussetzungen, die der Ausländer nach dem Asylgesetz oder dem Aufenthaltsgesetz erfüllt.“

Masoud Ahmadi will nun weitere rechtliche Möglichkeiten nutzen, um in Deutschland bleiben zu können. Im La Porte würde man sich jedenfalls freuen. „Die Stelle ist noch frei, wir würden ihn weiterhin nehmen“, sagte Geschäftsführer Henrik Steek gestern auf Nachfrage. Mit Masoud Ahmadi habe die Probe-Zusammenarbeit super geklappt, auch sprachlich passe es, er sei als Lehrling willkommen.

Eine Anfrage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ob das neue Integrationsgesetz nicht doch für Masoud Ahmadi gelten könnte, blieb bisher unbeantwortet.