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Selbstständigkeit Hühner-Züchter im Doppelpack

Die Genusswerkstätten Riethwiesenhof in Engersen sind ein echtes Familienunternehmen. Genaue Arbeitsteilung hilft Paaren beim Gründen.

Von Tim Kühne 15.02.2018, 09:37

Engersen l Es ist der Traum vieler frisch Verliebter: Mit der Partnerin oder dem Partner gemeinsam ein Unternehmen aufbauen, von dem die ganze Familie gut leben kann. Schließlich wird man kaum einen Geschäftspartner finden, dem man so sehr vertraut wie dem eigenen Lebensgefährten. Doch auch als Paar ist eine Unternehmensgründung nicht einfach – und diese Konstellation bringt freilich einige ganz besondere Risiken für das geschäftliche wie auch für das private Zusammensein mit sich. Das Gründer-Paar Franziska Klotz und Rudolf Sasse aus Engersen bereut es dennoch nicht, diesen Schritt gemeinsam gewagt zu haben. Denn sie haben in ihrem jungen Familienunternehmen mittlerweile die richtige Arbeitsteilung gefunden.

Die Entscheidung der beiden, mit ihren zwei Kindern in die Altmark zu ziehen und gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb für Bio-Eier aufzubauen, konnten viele Freunde nicht nachvollziehen. Auch die Betriebsgröße sei mit gerade einmal 1500 Hühnern nicht ausreichend, um gut davon leben zu können, wurden die jungen Wahl-Altmärker immer wieder gewarnt.

Doch sie haben sich dennoch getraut, für ihren gemeinsamen Traum den Weg in die Selbstständigkeit zu wagen. „Natürlich heißt es da ‚alles oder nichts‘“, weiß Franziska Klotz um die Bedeutung dieser Entscheidung für die junge Familie, „aber nur wenn man seine ganze Energie in dieses Projekt investiert, kann es auch gelingen“. So setzte die gebürtige Bernburgerin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Rudolf Sasse, der aus Meseberg bei Osterburg stammt, alles auf eine Karte und übernahm einen verwaisten Hof in Engersen.

In den ersten Monaten richtete das Paar den Hof soweit her, dass im November 2016 die ersten 1500 Hühner einziehen konnten. Dabei verband sie die Vision, den Tieren noch weit über den Bio-Standard hinaus ein schönes Leben mit großem Stall, üppigen Auslaufflächen, viel Licht und intensiver Pflege zu ermöglichen. Die größte Herausforderung in der Anfangszeit ist es allerdings, Arbeit und Privatleben voneinander zu trennen. „Man muss einen Arbeitstag auch mal beenden können“, hat Rudolf Sasse in dieser Zeit gelernt. „Wir versuchen mittlerweile, das Geschäftliche nicht mehr mit nach oben in unsere Privatwohnung zu nehmen. Es ist wichtig, sich auch einmal ganz bewusste Auszeiten als Familie zu gönnen.“ Und genau das ist manchmal gar nicht so einfach. Denn die Hühner und die übrigen Tiere auf dem Riethwiesenhof kennen weder Ferien noch Sonntag. Mal eben wegfahren ist nicht einfach so möglich. Auf die Nerven geht sich das Gründer-Paar aber trotzdem nicht, wie beide versichern: „Über die Zeit hat sich eine relativ feste Aufgabenverteilung entwickelt“, erklärt Franziska Klotz. „Das Stempeln und Packen der Eier sowie einen großen Teil der Büroarbeit übernehme ich, Rudolf versorgt schwerpunktmäßig die Tiere und den Hof. Es hat sich einfach herausgestellt, wo unsere jeweiligen Stärken und Schwächen liegen – und die können wir nun beide hervorragend einbringen.“

So sitze man also ganz und gar nicht 24 Stunden am Tag aufeinander, wie es das Klischee eines Unternehmerpaares vermuten ließe. Vielmehr sei es manchmal eine regelrechte Geduldsaufgabe, sich gegenseitig auf dem großen Gelände zu finden.

Darüber hinaus kann auch jeder seine Herzensprojekte umsetzen. Franziska betreibt an drei Tagen in der Woche einen kleinen Laden in Kalbe, in dem man regionale Lebensmittel und Handwerksprodukte bekommt. Rudolf bietet als gelernter Koch mit mehr als zehn Jahren Berufspraxis ein individuelles Catering für bis zu 100 Personen an. Und gemeinsam sollen in Zukunft noch stärker als bisher Bildungsprojekte für Kindergärten und Schulkinder auf dem Hof abgehalten werden.

Mit Meinungsverschiedenheiten muss man aber offen umgehen, finden beide. „Es ist wichtig, sich gegenseitig auch Dinge offen sagen zu können, ohne dass der andere eingeschnappt ist“, beschreibt Franziska Klotz die Dynamik.

Und Lebensgefährte Rudolf ergänzt: „Die Kunst bei einer solchen Konstellation ist es, viel und bewusst zu kommunizieren.“