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Wahlskandal Lars Schirmer: "Es wird einem schlecht"

Wurde nach der Wahl 2014 in Stendal auch bei der Landratswahl betrogen? Kommunalpolitiker äußern sich zum Anfangsverdacht.

Von Bernd-Volker Brahms 13.05.2017, 01:01

Stendal l So wirklich überrascht war niemand , nachdem die Volksstimme darüber berichtet hatte, dass die Staatsanwaltschaft nun auch die Landratswahl von 2012 genauer unter die Lupe nimmt. Es gibt den Anfangsverdacht, dass auch bei der Wahl manipuliert wurde und auch dort der Ex-CDU-Mann Holger Gebhardt – wie bei der Kommunalwahl 2014 – am Werk war.

„Es wird einem schlecht, wenn man das liest“, sagt Lars Schirmer (SPD). Der aktuelle Fraktionsvorsitzende im Kreistag war seinerzeit in der Stichwahl knapp unterlegen. CDU-Kontrahent Carsten Wulfänger hatte gerade einmal 69 Stimmen mehr erzielt.

„Wenn man überlegt, dass das Ergebnis möglicherweise durch Manipulation gedreht wurde, dann fühlt man sich veräppelt“, sagt Schirmer. Er habe seinerzeit – im Vertrauen, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei – auf ein Nachzählen verzichtet. „Man will ja auch kein schlechter Verlierer sein.“

Er möchte Aufklärung haben, sagt Schirmer. Dies habe ja auch Wulfänger selbst schon vor einiger Zeit gefordert. Man müsse jetzt abwarten, was die Staatsanwaltschaft ermittelt und gucken, um wie viele Stimmen es am Ende tatsächlich geht. Für den SPD-Kreisvorsitzenden Oliver Fleßner ist indes schon klar: „Hier wurde jemand um sein Amt betrogen.“

Wulfänger wiederholte seine Forderung, dass alle Vorgänge um die möglichen Wahlfälschungen in Stendal „vorbehaltlos, auch gerichtlich, geklärt und aufgearbeitet werden". Über sein Rechtsamt möchte er die Ergebnisse bei der Staatsanwaltschaft einsehen, die zu den Ermittlungen führten.

Sein Partei-Kollege und neuer CDU-Kreisvorsitzender Chris Schulenburg fordert angesichts der neuerlichen Ermittlungen eine Task Force innerhalb der Behörde, damit Ergbnisse möglichst zügig vorgelegt werden können. Es sollten „schnellstmöglich alle be- und entlastenden Erkenntnisse herausgearbeitet“ werden. „Was einer Demokratie besonders schadet, sind wilde Spekulationen und Verdächtigungen über viele Monate. Das beschädige nicht nur demokratische Prozesse, sondern diskreditiere auch Personen des öffentlichen Lebens.

Helga Paschke (Die Linke) sieht bislang keinen Grund für Landrat Wulfänger, zurückzutreten. Nach ihrem jetzigen Wissensstand sei er „unschuldig in die Situation gerutscht“. Sie könne es nachvollziehen, wenn er selbst Aufklärung fordere, um nicht unter ständigem Verdacht stehen zu müssen. Es komme jetzt aber auch darauf an, wie er sich in den kommenden Wochen verhalte.

Grünen-Landeschef Christian Franke ist nicht ganz so milde: „Wenn der Verdacht sich bestätigt, muss der Landrat Konsequenzen ziehen. Der Schulenburgsche Schlussstrich ist ad absurdum geführt."

Für den FDP-Kreisvorsitzenden Marcus Faber ist es nicht verwunderlich, dass nun auch die Landratswahl 2012 juristisch beackert wird. „Wenn man sieht, was bei anderen Wahlen möglich war, dann kann man es sich auch für die Landratswahl vorstellen“, sagte Faber. Wenn sich der Verdacht erhärten würde, dann sehe er die Legitimität des Landrates angegriffen. Aus einer Position der Stärke sollte er dann ein Zeichen setzen und zurücktreten“, sagte Faber.

Aus Sicht von  Faber sei es immer noch möglich, dass Gebhardt aus falsch verstandener Parteidisziplin allein gehandelt hat. Das sieht auch Thomas Staudt als neuer CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag ähnlich. „Ich war beim Prozess mehrfach dabei", sagte er. Kriminaltechnisch seinen nur Spuren von Gebhardt sichergestellt worden. Und dann stelle sich ihm die Frage: „Warum hat er keinen Namen genannt, der hatte doch nichts mehr zu verlieren?"

Die Sache mit der Einzeltäter-These sieht Joachim Röxe, Fraktionsvorsitzender Linke/Grüne im Stendaler Stadtrat anders: „Welche persönliche Motivation hätte jemand für eine Fälschung der Landratswahl haben können. Hier wurde wohl im Parteiauftrag gehandelt."

Kreistagsmitglied Frank Wiese (Landwirte) möchte nicht nur Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft: „Die CDU tut gut daran, sauber aufzuarbeiten und nicht alles in die Zukunft zu schieben."