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Menhir Ortschef: „Der Lange Stein ist weg“

Der 1,5 Tonnen schwere Menhir steht seit dieser Woche nicht mehr in der Seehäuser Gemarkung, sondern im Landesmuseum in Halle.

Von Sabrina Trieger 28.01.2017, 00:01

Seehausen l Immer wieder hatten sich unbekannte Rowdys am „Langen Stein“ in Seehausen zu schaffen gemacht. Die Ritzerein waren bereits deutlich im 6000 Jahre alten Sandstein zu erkennen. Um den Menhir vor weiteren Vandalismusschäden zu schützen, hatte das Landesmuseum in Halle bereits vor Jahren einen Antrag auf Umsetzung bei der Unteren Denkmalschutzbehörde gestellt. Doch ungeklärte Besitzansprüche hatten den Umzug aufgehalten. Seither hieß es hier: Still ruht der See. Bis jetzt.

Am Dienstag hatte eine Fachfirma den 1,5 Tonnen schweren Stein freigelegt und mit einer Art Schlitten von seinem angestammten Platz gezogen. „Weil es sich hier um einen figürlich, verzierten Menhir handelt, den es so nur noch sehr selten gibt, haben wir ihn jetzt umsetzen lassen, um ihn vor weiteren Vandalismusschäden und Umwelteinflüssen zu schützen. Der Abtransport war nach einem Tag erledigt“, erklärte Julia Kruse, Sprecherin des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, gestern auf Nachfrage. Der steinerne Zeitzeuge wurde ins Depot nach Halle gebracht. Hier soll er zunächst gereinigt werden.

„In den vergangenen 50 Jahren hat der Menhir unter so mancher mutwilliger Zerstörungswut gelitten. Dieses wichtige Erbe der Jungsteinzeit mit seinen ursprünglichen künstlerischen Verzierungen ist stark gefährdet“, hatte bereits vor Jahren Dr. Detlef Müller vom Landesamt für Denkmalpflege und dem Landesmuseum für Frühgeschichte in Halle zu Bedenken gegeben. Ob der Seehäuser Menhir nach der fachgerechten Reinigung im Landesmuseum einen besonderen Ausstellungsplatz bekommt, ist übrigens noch unklar.

Fest hingegen steht, dass ein Restauratorenteam von dem verzierten Menhir eine Kopie erstellt wird. In Halle angekommen, würde er digital vermessen werden. Mit Hilfe der Daten könnte dann die originalgetreue Kopie angefertigt werden, die dann in Seehausen aufgestellt werden soll. Wann genau, konnte die Sprecherin des Landesamtes allerdings nicht sagen. Auch die Frage nach den Kosten sowohl für den Abstransport, als auch für die Aufarbeitung des Originals und die Erstellung der Kopie konnte nicht beantwortet werden.

Der Lange Stein von Seehausen sei der einzige verzierte, der in ganz Mitteldeutschland von Menschenhand aufgerichtet wurde und frei im Gelände steht, erklärten die Experten. Bundesweit gebe es nur noch rund 300 Exemplare. Menhire dienten rund 4000 Jahre vor Christus einem heidnischen Kult-Phallussymbole, die die Fruchtbarkeit darstellen sollen, aber auch Huldigung an die so genannte Dolmengöttin und somit Bestandteil von Steingräbern.

Darüber, dass der Lange Stein, der dem Land und nicht der Stadt gehört, nun endlich ins Landesmuseum nach Halle gebracht worden ist, zeigte sich Seehausens Ortsbürgermeister Eckhard Jockisch erfreut, wenngleich er auch gerne vorab über den Abtransporttermin informiert gewesen wäre. „Denn ich war wie von den Socken, als ich gehört habe, dass der Lange Stein weg ist und stattdessen nur noch Lkw-Reifenspuren zu sehen seien“, erzählt er. „Ich hoffe, dass nach all den Jahren und Bemühungen den Stein sichern zu lassen, er nun im Landesmuseum auch ausgestellt wird.“

Mit einer originalgetreuen Kopie des Steins in Seehausen könne er gut leben. Angedacht sei, die Kopie, die vom Original kaum zu unterscheiden sein soll, im Zentrum nahe der St.-Laurentius-Kirche aufstellen zu lassen. Das sei aber noch Zukunftsmusik, sagte Jockisch.

Was ist ein Menhir? Es ist eine ursprünglich bretonische Bezeichnung für einen hochkant aufgerichteten „mehr oder minder großen Stein“ oder Monolithen. Sie bedeutet „Langer Stein“ (maen = Stein und hir = lang) und fand bereits Ende des 18. Jahrhunderts als wissenschaftlicher Begriff Eingang in die archäologische Fachliteratur Frankreichs. Vorkommen: Der europäische Schwerpunkt liegt in Westeuropa. Von Skandinavien über Irland, Großbritannien, Belgien, Frankreich und der Schweiz sind sie im westmediterranen Raum von Portugal bis Italien verbreitet. In Deutschland: Steinsetzungen unterschiedlicher Größe findet man vom Saarland über Rheinland-Pfalz und Hessen bis nach Mitteldeutschland. Die Menhire von Benzingerode (Harz), der „Lange Stein“ von Seehausen, die „Speckseite“ von Aschersleben und der „Hünenstein“ bei Nohra (Landkreis Nordhausen) fanden sich in der Nähe bronzezeitlicher Anlagen.