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Flüchtlinge Syrer fassen in Wernigerode Fuß

Fünf junge Syrer, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflüchtet sind, fassen derzeit Fuß in Wernigerode - mithilfe von Ehrenamtlichen

Von Katrin Schröder 29.01.2016, 00:01

Wernigerode l „Schukran Djasielan!“ Das ist arabisch und bedeutet: „Herzlichen Dank!“ Für Salem, Alaa, Hazem, Majd und Rameh gehört diese Formel zum Alltag. Die fünf jungen Männer, die aus Syrien geflohen sind, haben eine Zuflucht in Wernigerode gefunden, wie Werner Kropf vom Wernigeröder Interkulturellen Netzwerk (WIN) berichtet.

Einige der Syrer haben bereits im November beim Konzert in der Remise mitgespielt, das der Wernigeröder Kunst- und Kulturverein organisiert hat. Dessen Mitglieder haben für die Flüchtlinge übergangsweise eine Wohnung bereitgestellt. Die Betreuung teilt sich Werner Kropf mit seinen Netzwerk-Kollegen Lothar Andert und Amel Kühne. Nötig ist das vor allem deshalb, weil die Syrer noch kein Deutsch können, berichtet Kropf, der aus dem Arabischen übersetzt.

Den Helfern stehen stets die Gründe für die Flucht der Syrer vor Augen. „Nach den schrecklichen Erlebnissen der Zerstörung ihrer Heimat und der Flucht bemühen wir uns, ihnen die Integration zu erleichtern“, betont er. Dass weiter Krieg herrscht, macht sie zornig. „Die Groß- und Regionalmächte wollen ihre Interessen auf Kosten der Bevölkerung durchsetzen und zerstören dabei dieses ehemals schöne Land in unbeschreiblicher Weise.“

Die Asylanträge von drei der fünf Männer sind positiv beschieden, sie dürfen drei Jahre bleiben. Mit ihren Ausweisen in der Hand unternahmen sie die nötigen Behördengänge. Probleme gab es nicht. „Dank der Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und zügigen Bearbeitung der Anträge durch alle Mitarbeiter sind wir gut vorangekommen“, so Kropf.

Unterstützung haben die Syrer auch anderweitig erfahren. Alaa bekam heftige Zahnschmerzen, eine Wernigeröder Zahnärztin rettete durch mehrere Behandlungen den angegriffenen Backenzahn. Kenan, ein Opernsänger, hatte auf der Flucht seine Brille verloren. In der Wernigeröder Filiale einer Augenoptik-Kette erhielt er Ersatz. „Er sagte: Jetzt kann ich meine Freunde, mit denen ich musiziere, zum ersten Mal richtig sehen“, berichtet Kropf.

Kontakte haben die Flüchtlinge zur katholischen Kirchengemeinde St. Marien geknüpft. Pfarrer Stefan Hansch bewirtete die Gäste Heiligabend im Pfarrhaus. Weitere Treffen mit Gemeindemitgliedern folgten, im Januar musizierten die Syrer in der Messe. „Statt auf der Orgel wurde Laute gespielt“, so Kropf.

Weil das erste Konzert in der Remise so gut ankam, haben Kunstverein und WIN-Verein eine zweite Auflage organisiert. Am vergangenen Sonntag war die Remise mehr als voll. „Die letzten Besucher mussten stehen“, so Werner Kropf. Belohnt wurde das Publikum mit orientalischer Musik – mal schwermütig und traurig, mal beschwingt und fröhlich, teils begleitet von Gesang. „Ergreifend war das Lied über die verlorene Heimat, die den Flüchtlingen zuruft: Kommt zurück und baut unser schönes Land wieder auf“, berichtet Werner Kropf. Die Musiker wurden mit langem Beifall bedacht, es wurden Spenden gesammelt.

Einige der Männer kannten sich vor der Flucht, sie stammen aus demselben Vorort von Damaskus. „Ihre Gedanken und Sorgen drehen sich um das Schicksal ihrer Familien, die noch dort wohnen“, sagen die Helfer. Aus den Nachrichten aus der Heimat wissen sie aber, dass in den vergangenen Wochen dort unmittelbar keine Kämpfe stattgefunden haben.

Was den Syrern zu schaffen macht, ist die verordnete Untätigkeit. „Die Jungs haben viel zu wenig zu tun“, so Werner Kropf. Er unternimmt mit ihnen Ausflüge nach Quedlinburg, an die Rappbodetalsperre und erklärt als Stadtführer die Geschichte Wernigerodes. Im Kinderheim „Waldmühle“ besuchten sie sechs syrische Kinder und Jugendliche, die ohne Familie nach Deutschland gekommen sind.

Im Februar startet der sechsmonatige Deutsch- und Integrationskurs. Der 17-jährige Hasem war in Syrien Schüler und möchte eine Lehre als Koch absolvieren. Sein Bruder Salem ist Damenfriseur, ebenso der 21-jährige Alaa. Der 41 Jahre alte Rameh ist Herrenfriseur. „Angebote für Praktika liegen bereits vor“, weiß Kropf. Majd, der in Syrien Geologie und Musik studiert hat, möchte an der Hochschule Harz ein neues Fach beginnen: Informatik.