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Bürgerpreis 2015Hilfe für die Ärmsten der Armen

Das Arztehepaar Ingrid und Rüdiger Kleinschmidt wird mit dem Wernigeröder Bürgerpreis 2015 geehrt, für ihr Engagement im Afrika.

Von Uljana Klein 06.03.2016, 23:01

Wernigerode l Mit dem Eintritt in den Ruhestand hat für das Arztehepaar eine neue Ära begonnen. Zehn Jahre ist das jetzt her. Obwohl sowohl Ingrid als auch Rüdiger Kleinschmidt in Darlingerode und Wernigerode stundenweise weiter in ihrem Arztberuf arbeiteten, fuhren die engagierten Mediziner 2006 erstmals nach Äthiopien.

Im Attat Hospital, rund 170 Kilometer südwestlich von Addis Abeba, arbeiteten die beiden Wernigeröder mit und brachten ihr Wissen als Allgemeinmedizinerin und Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe ein. Die Klinik wird seit nahezu 50 Jahren von einem katholischen Orden betrieben und von einer deutschen Ärztin, der Ordensschwester Dr. Rita Schiffer, geleitet.

Ingrid Kleinschmidt kümmerte sich in Afrika um die allgemeinmedizinische Versorgung der Menschen und stand ihrem Gatten bei schwierigen Operationen zur Seite. Rüdiger Kleinschmidt operierte und behandelte erkrankte Frauen in der Klinik, die eine Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe eingerichtet hat.

„Das Krankenhaus liegt in einer der ärmsten Regionen Äthiopiens. Den Menschen fehlt es dort an vielem, die medizinische Versorgung ist schlecht“, berichtet Rüdiger Kleinschmidt. Die Müttersterblichkeit und die der Kinder sei hoch in dem ostafrikanischen Land. „Im Einzugsgebiet des Attat Hospitals gibt es deutlich weniger sterbende Frauen und Kinder. Das zeigt, wie wichtig solche Hilfsprojekte sind“, so das Fazit vom ehemaligen Chefarzt der Wernigeröder Frauenklinik.

Sechs Wochen dauerte der erste Hilfseinsatz 2006. Jährlich kamen die beiden Ärzte zum Helfen wieder – zehn lange Jahre. Im August 2015 waren die Kleinschmidts das letzte Mal im Attat Hospital, nun ist Schluss – aus Altersgründen. Ingrid Kleinschmidt: „Es wird uns etwas fehlen. Ich denke oft an die Einsätze zurück.“

Rückblickend würden die Kleinschmidts nichts anders machen in ihrem Leben. „Insgesamt haben wir ein Jahr lang kranken Menschen in Afrika geholfen“, resümiert Rüdiger Kleinschmidt. Und der heute 75-Jährige ergänzt, dass auch die DDR-Vergangenheit hilfreich war. „Wir kannten es, aus wenig viel zu machen.“

Stundenlang behandelten Kleinschmidts in Äthiopien Menschen, operierten und mussten dabei selbst Dinge erledigen, für die es hier extra Fachärzte gibt. „Ich musste oft für die Narkose selber sorgen oder habe auch mal einen Zeh amputiert. So etwas hatte ich in Deutschland nie getan“, erinnert sich Rüdiger Kleinschmidt. Auch für Ingrid Kleinschmidt, die als Fachärztin für Allgemeinmedizin zu Hause nicht operierte, galt es in Afrika vieles zu tun, was sonst nicht zu den Aufgaben einer Hausärztin gehört.

Abenteuerlich und erfindungsreich war das eine oder andere Mal die Anreise. So fuhren die Kleinschmidts schon mal mit 800 Blasenkathetern und anderen Hilfsmitteln im Koffer nach Afrika und verhandelten dann bei der Einreise stundenlang mit dem Zoll. Die Utensilien wurden in dem äthiopischen Krankenhaus dringend benötigt. Selbst die Fahrt ins Attat Hospital war schwierig. Die Straßen waren zum Teil nur als Schotterpisten ausgebaut, so dass Ingrid und Rüdiger Kleinschmidt für die letzten 170 Kilometer der fast 11 000 Kilometer langen Reise bis zu vier Stunden benötigten.

Vor allem die Mittellosigkeit vieler Äthiopier und die kargen Lebensumstände sind den Kleinschmidts in Erinnerung geblieben. „Man konnte sich an alles gewöhnen, aber die Armut hat mich schon belastet“, sagt Ingrid Kleinschmidt nachdenklich.

Mit dem Fachwissen und viel Humanität im Gepäck konnte das Ehepaar aus Wernigerode den Afrikanern ein Stück weit Perspektive und Zuversicht geben. „Die Hilfseinsätze haben unser Leben verändert. Wir haben viel auf uns genommen, sind aber sehr viel reicher zurück gekommen“, so Rüdiger Kleinschmidt. Vieles bei uns haben sie durch die Eindrücke aus Afrika mit anderen Augen sehen gelernt, sind sich die Kleinschmidts einig.

Die öffentliche Preisverleihung findet am Dienstag, 8. März, im Festsaal des Wernigeröder Rathauses statt. Beginn ist um 17 Uhr, interessierte Bürger sind herzlich eingeladen. Die Laudatio hält Dieter Sontheimer, Chefarzt der Kinderklinik, den musikalischen Rahmen gestaltet das Blechbläserensembles „Quintus" aus Dresden.