Auto Göttliche Versuchung

Die Harzer Volksstimme stellt Menschen und ihre besonderen Autos vor - zum Beispiel André Fleischhauer aus Wernigerode und seine Göttin.

Von Frank Drechsler 04.07.2017, 23:01

Wernigerode l Wenn der 1,92-Meter-Mann André Fleischhauer sich in der Göttin vom Huy aus über das Harzvorland nach Wernigerode auf den Weg ins Büro macht, zieht er die Blicke auf sich. Mancher bleibt stehen, schaut dem schwarzen Wagen der Modellreihe DS sehnsüchtig nach – ein Wortspiel hat das Kürzel in La Déesse (französisch: Göttin) umgemünzt. Auch wenn die Göttin geparkt wird, hat sie Zuschauer. Ein Oldtimer sei doch nichts, um täglich damit herumzufahren, hätten ihm viele gesagt. André Fleischhauer sieht das anders. Nur wenn Streusalz im Winter die Straßen freihalten soll, lässt Fleischhauer die Göttin in der Garage und nimmt den alten Polo, um zur Arbeit zu fahren.

Alt und modern – das geht für ihn ohne Probleme zusammen. Seine DS sei der Beweis. Sie sei ein Auto zum Fahren. Aber auch zum Wohlfühlen, zum Entspannen und zum Entschleunigen. So stöpselt er zum Musikhören sein iPhone wie selbstverständlich in den AUX-Eingang eines modernen Radios ein.

Der Motor der alten Dame ist ebenso wenig von anno dazumal. Vorn werkelt zwar der einst verbaute Vierzylinder-Benzin-Reihenmotor, aber nicht in seiner ursprünglichen Konfiguration. Fleischhauer hat alles auf umweltschonendes Gas als Brennstoff trimmen lassen. 70 Liter passen in den Tank. Der Zwei-Liter-Motor stellt damit exakt 98 Pferdchen an der Kurbelwelle bereit. Das reicht aus, um die Göttin bei angenehmer Reisegeschwindigkeit mit 140 Kilometern pro Stunde über die Autobahn schweben zu lassen. Sie kann aber auch mal 180 km/h hervorzaubern. Wichtiges Ausstattungsmerkmal sei die am Heck des Fahrzeugs angebaute Anhängerkupplung: Schließlich baut André Fleischhauer gerade sein Haus um, seine DS zieht ohne Murren eineinhalb Tonnen.

Auf den Dreh, alte Autos im Alltagsgebrauch zu fahren, ist Fleischhauer schon früh gekommen. Alte, sehr alte Schätzchen, vorzugsweise der Marke mit dem Stern, nannte er schon sein Eigen. Reinsetzen und wohlfühlen, lautete seine Devise. Auch heute noch. „Mir ist klar, dass jeder Kleinwagen heute moderner ist als mein Citroën und auch alles viel, viel besser kann“, sagt Fleischhauer. „Meine Französin besitzt zwar Charme, hat aber den Wendekreis eines T 34-Panzers.“ Er liebe das Auto trotzdem. „Denn gerade wenn sich andere über vermehrt kaputte Straßen ärgern, lässt mich dieses Auto wegen seiner unvergleichlichen Federung einfach darüber hinwegschweben“, sagt er.

Verantwortlich dafür sei die hydropneumatische Federung. Sie ermöglicht es, die Bodenfreiheit des Wagens zu variieren. Parkt man die DS, so senkt sie sich durch den nachlassenden Druck in der Hydropneumatik langsam ab. Startet man den Wagen, so hebt er sich um mehrere Zentimeter in die Höhe.

Die Hydropneumatik reguliert automatisch das Niveau und hält die Bodenfreiheit immer konstant. Auch bei unterschiedlicher Beladung. Dank einer Düsseldorfer Werkstatt, die sich ausschließlich um Autos der Marke Citroën DS kümmert, konnte sich die Dame auf den Weg in ihr neues Domizil am Harzrand machen.

Daran hat vor 47 Jahren, als seine DS das Licht der Welt erblickte, wohl niemand auch nur zu träumen gewagt. Da ist sich Fleischhauer sicher. Viele Schwestern seiner DS avancierten in den 1960er Jahren zu Stars, erlangten durch ihre Auftritte in vielen Filmen Kultstatus.

Dem ehemaligen französischen Präsident Charles de Gaulle rettete eine DS vermutlich das Leben, als auf ihn ein Attentat verübt wurde. Trotz eines zerschossenen Hinterreifens konnte der Wagen weiterfahren. Des Weiteren spielte die DS in Filmen mit Louis de Funès mit. Legendär die Szenen mit dem Schurken Fantômas, dessen DS sich in ein Flugzeug verwandelte.

Es folgten Auftritte im Film „French Connection“, sowohl in Teil 1 als auch in Teil 2. Eine DS schaffte es sogar als Requisit in eine Science-Fiction-Produktion: In einer Einstellung von „Zurück in die Zukunft II“ ist ein Fahrzeug als schwebendes Taxi ohne Räder zu sehen. Produziert wurde die DS zwischen Herbst 1955 und Frühjahr 1975.

 

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