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Knochenfund im Harz Kein Fall für die Polizei

Knochenfunde in Ilsenburg sind kein Fall für die Kriminalpolizei. Archäologen geben Entwarnung: die Knochen sind über 100 Jahren alt.

Von Jörg Niemann 24.05.2016, 21:20

Ilsenburg l Die Knochenfunde in Ilsenburg sind in aller Munde. Schnell war klar, ein Fall für die Polizei sind sie nicht, Archäologen gaben Entwarnung. Dennoch ist das Interesse an einer Aufklärung zu den Hintergründen in der Ilsestadt groß.

Einer, der sich daran beteiligen möchte, ist Karl Berke. Der 67-Jährige ist für sein Interesse an der Stadtgeschichte bekannt. Vor einigen Jahren hat der Bäckermeister im Ruhestand gemeinsam mit anderen Interessierten eine Ilsenburger Chronik verfasst. Dabei hat er in bereits vorhandenem historischen Material geforscht. Das könnte zum Aufklären der Knochenfunde beitragen, hofft Berke.

Aus seiner Sicht liefere die wohl beste Erklärung die so genannte Lehmann-Chronik. „Dahinter verbirgt sich ein historischer Abriss, den um 1900 der damalige Ilsenburger Schuldirektor Lehmann zusammengetragen und aufgeschrieben hat.“

Lehmann schildert in seiner Chronik auch Geschehnisse im Bereich des jetzigen Knochen-Fundortes. Unter anderem erwähnt er nach Aussagen von Karl Berke das Jahr 836, in dem in einem nicht näher bezeichneten Dokument eine Siedlung namens Walingerode erwähnt wird. Diese lag im Bereich der heutigen südwestlichen Stadtgrenze Ilsenburgs, also unmittelbar im Bereich der Knochenfunde. Lehmann stellt in seiner Chronik einen Zusammenhang mit der damaligen Abtei Corvey in Nordrhein-Westfalen her und beschreibt, dass der Ortsname vom Abt namens Wala abgeleitet sein soll. Später sei der Bereich als Wollingerode bezeichnet worden.

Karl Berke weist darauf hin, dass sich zu seiner Kinderzeit in der Nähe ein Stück freie Fläche befand, auf der ein Gebäude gestanden haben könnte. Den Ilsenburgern sei es als Burchard-Kapelle oder Burchard-Kirche überliefert. „Heute ist dort alles zugewachsen, aber als ich von den Knochenfunden in der Volksstimme las, kamen mir sofort meine Erinnerungen wieder auf“, sagt Berke.

Ilsenburgs Bürgermeister Denis Loeffke (CDU), der einige hundert Meter weiter am Mahrholzberg aufwuchs, erinnert sich ebenfalls an viele Gespräche in seiner Kindheit. „Es kam oft vor, dass in der Schule von Knochen- und Scherbenfunden im Bereich des jetzigen Fundortes gesprochen wurde, sogar von einem Münzfund war die Rede. Selbst gesehen habe ich die Funde aber nie“, so Loeffke.

Die derzeit wahrscheinlichste Theorie für die Funde dürfte in den damaligen Bestattungsmethoden zu finden sein. „Vor 1000 Jahren wurden die Menschen stets in der Nähe von Kirchen oder Kapellen bestattet. Erst mit der Zeit Friedrichs des Großen wurden aus Angst vor Krankheiten vielfach Friedhöfe in die Außenbereiche der Städte und Dörfer verlegt“, sagt der Archäologe Olaf Kürbis, der im Landesamt für Archäologie arbeitet und den Fund „von Amts wegen“ betreut. Wenn also nahe dem Knochen-Fundort die Burchard-Kapelle oder -Kirche gestanden habe, dann sei es durchaus nachvollziehbar und nicht ungewöhnlich, wenn dort im Erdreich menschliche Knochen oder andere Hinweise auf ehemalige menschliche Besiedlung gefunden werden, sagt der Archäologe.

Karl Berke jedenfalls ist – wie viele Ilsenburger auch – gespannt, was die weiteren Untersuchungen an der Fundstelle ergeben werden.