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Kunstgeschichte Letztes Geleit für den Kaiser

Rund 10 000 Objekte gehören zum Bestand des Schlosses Wernigerode. Die Harzer Volksstimme stellt einige der Schätze des Schlosses vor.

Von Katrin Schröder 03.01.2017, 23:23

Wernigerode l Berlin im März 1888: Der Himmel ist grau und verhangen, das Pflaster glänzt regennass, im Hintergrund ist das Alte Palais zu sehen, das heute Kronprinzenpalais heißt. Was hat die Szene aus der deutschen Hauptstadt am Ausgang des 19. Jahrhunderts mit Wernigerode zu tun? Sehr viel, sagt Christian Juranek, Geschäftsführer der Schloß Wernigerode GmbH. Vor Kurzem hat er das Gemälde des Malers Arthur Kampf erworben – ein weiterer Schatz für die Sammlung des Schlosses.

Zu sehen ist „Der Leichenzug von Kaiser Wilhelm I.“ Das Bild entstand am Tag der Überführung des Leichnams, weiß Christian Juranek. Der am 1. März 1888 verstorbene Kaiser wurde im Alten Palais, nahe des Brandenburger Tores aufgebahrt und anschließend nach Charlottenburg überführt, wo er im Mausoleum des Schlossparks beigesetzt wurde.

Die Verbindung in den Harz hat sich dem Kenner sofort erschlossen. „Die Organisation der Trauerfeier war Obliegenheit der obersten Hofcharge“, erklärt Schlosschef Juranek. Federführend war als Oberstkämmerer Otto zu Stolberg-Wernigerode, der selbst die Totenwache bei Wilhelm I. gehalten hat – das beweist ein Foto, das im Besitz des Schlosses ist.

Das Bild passe nicht nur deshalb gut in die Sammlung auf dem Agnesberg. „Es ist ein hervorragendes Zeugnis der Kaiserzeit“, urteilt der Schlosschef über das Bildnis, das er bei der Auktion eines renommierten Hauses ersteigert hat. Das Schloss Wernigerode geht beim Neuerwerb nach den Vorhaben des Sammlungskonzepts vor. „Wir sammeln Dinge, die direkt mit dem Schloss und der Familie Stolberg-Wernigerode zu tun haben“, erklärt Christian Juranek. Darüber hinaus sind Gegenstände und Schriften von Interesse, die sich mit der Harzer Landesgeschichte sowie der Kunst- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts beschäftigen.

Arthur Kampf, von dem die Ölskizzze stammt, war zu seiner Zeit ein renommierter Künstler. „Er gilt als der letzte Historienmaler, war sehr angesehen und ein großes Talent“, sagt Christian Juranek.

Der Maler und Hochschullehrer gestaltete das Wandgemälde des Kaiser-Otto-Saals im heutigen Kulturhistorischen Museum in Magdeburg. „Bis zum Ersten Weltkrieg hat Kampf die qualitativ hochwertigsten Zeitbilder gemalt“, so der Schlossgeschäftsführer.

In den 1930er-Jahren, als Kampf der NSDAP beitrat und im Dritten Reich gefeiert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet er in Vergessenheit, zumal viele seiner Werke vernichtet wurden oder verschollen waren.

Interessant sei beim Gemälde des Leichenzugs, dass nicht der Sarg des verstorbenen Hohenzollern im Mittelpunkt stehe. Abgebildet ist vielmehr der Moment, in dem sich der Leichenzug formiert. Kampf nimmt dazu die wartenden Honoratioren in den Blick, die Zylinder tragen und das Tagblatt lesen, das der Zeitungsjunge ihnen bringt. „Das ist richtig modern gedacht“, erklärt Juranek. „Kompositorisch hat das Bild jede Menge Raffinesse.“

Gefunden hat der Schlossgeschäftsführer das Bild in einem der vielen Auktionskataloge, die regelmäßig ins Haus flattern und die auf interessante Objekte hin durchsucht werden. „Manchmal bekomme ich zusätzlich Hinweise von Kollegen oder von Auktionshäusern und Händlern, mit denen wir zusammenarbeiten“, sagt Christian Juranek. Langjährige gute Kontakte zahlen sich oftmals aus.

Doch das Budget muss der Schlossgeschäftsführer ebenfalls im Blick behalten. Im Falle des Kampf-Gemäldes hatte Juranek Glück. Für einen vierstelligen Betrag wechselte das Bild den Besitzer. Ein Silberbecher, der Kaiser Wilhelm I. gehört hat, war jedoch zu teuer. „Man kann nicht alles zu jedem Preis kaufen.“