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Mosterei Saftige Tradition aus dem Harz

Der Betrieb von Bernd Nehrkorn in Heudeber ist die letzte und einzige Mosterei im Harzkreis. Dort werden rund 30 Apfelsorten verarbeitet.

Von Holger Hadinga 16.10.2016, 23:01

Heudeber l In der Mosterei Nehrkorn am Mulmker Weg 9 herrscht derzeit Hochbetrieb. Noch bis Sonnabend, 29. Oktober, können Obstbaumbesitzer ihre Äpfel zur Verarbeitung auf den Hof bringen. Aus dem Obst entstehen dann schmackhafte Säfte und Apfelwein. „Die Mosterei verwendet keine Konservierungsmittel oder Produkte aus der Genmanipulation“, versichert Inhaber Bernd Nehrkorn.

Er führt den Familienbetrieb mittlerweile in der dritten Generation. Gründerin war 1938 seine Großmutter Elfriede Nehrkorn. Sie hatte in einer Landwirtschaftsschule unter anderem das Einkochen gelernt. „Meine Oma starb kurz vor ihrem 106. Geburtstag. Sie hat noch mit 100 Jahren den Haushalt alleine geführt“, sagt stolz der Enkel.

Am 4. Juli 1939 wurde das kleine Unternehmen steuerlich angemeldet. Auf den Tag genau, am 4. Juli 2004, wütete hier ein Großfeuer. Es war Brandstiftung. Doch der Gebäudekomplex konnte zum größten Teil wieder aufgebaut werden, die Produktion lief weiter.

Eigentlich wollte Bernd Nehrkorn Kindergärtner werden. Doch das war als Mann zu DDR-Zeiten nicht möglich. Deshalb wurde er Obstverarbeiter. „1972 rollte in der DDR die letzte Verstaatlichungswelle. Unser Betrieb wurde aber nicht erfasst, da er klein war und wir nur wenige Angestellte hatten“, berichtet Bernd Nehrkorn. Weiter sagt der 57-Jährige, dass sich nach der Wende die Lohnkosten stark erhöht haben. Deshalb müsse man ökonomisch arbeiten.

Derzeit hat die Mosterei drei Angestellte. „Natürlich wurde im Vergleich zur Gründerzeit die Technik viel moderner. Das macht auch die Arbeit hygienischer. Insgesamt musste hier früher körperlich Enormes bewältigt werden“, sagt der Mann mit dem auffällig gezwirbelten Bart.

Wenn heutzutage die Kunden ihre Äpfel gebracht haben, wird das Obst gewogen und gewaschen. Weitere Arbeitsgänge sind beispielsweise das Zerkleinern, Pressen sowie Abfüllen. Nicht zu vergessen sind die Etikettierung und Lagerung in 3000-Liter-Behältern. Ständig wird dabei die Qualität kontrolliert. Bernd Nehrkorn: „Je nach Ernteertrag bringen die Leute im Jahr zwischen 80 und 330 Tonnen Obst.“

Aus einem Kilogramm Äpfel gibt es 0,8 Liter Saft. Ist reichlich Leergut vorhanden, „können die Kunden ihre Flaschen mit Apfelsaft recht schnell abholen. Wer aber Apfelwein möchte, muss sich bis November gedulden“, sagt Nehrkorn. Die Verarbeitungsreste der Äpfel werden übrigens als Futtermittel verwendet. Birnen können nicht abgegeben werden, da diese eine Lagerungszeit von höchstens zwei Tagen haben.

Etwa 60 Prozent der gesamten Arbeit bedeuten Reinigung. Ist die Annahmezeit beendet, bedeute es jedoch noch lange nicht Schluss. „Zu tun gibt es das ganze Jahr über“, sagt Bernd Nehrkorn. Eingelagertes Obst mosten, Abfüllen, Ausliefern, Abholen sowie Wartung und Instandhaltung der Technik stehen auf dem Plan. Und wenn es dann doch ruhiger auf dem Betriebshof zugeht, dann nimmt sich Bernd Nehrkorn Zeit für sein Hobby. „Alte Autos sind meine Leidenschaft“, sagt der Obstexperte.

Ausfahrten, um Ausschau nach einem Nachfolger zu halten? Der Heudeberaner lächelt und sagt: „In der Tat ist der Fortbestand der einzigen Mosterei im Harz nicht sicher. Vielleicht hat ja jemand Interesse?“ Die Apfelannahme bis zum 29. Oktober ist immer dienstag bis freitags von 15 bis 18 Uhr sowie freitags und sonnabends von 8 bis 11 Uhr. www.mosterei.com