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Porträt Landwirt: Ein Leben mit der Natur

Tom Borchert hat seine Kindheit quasi auf dem Mähdrescher verbracht. Inzwischen leitet er einen Agrarbetrieb.

Von Gudrun Billowie 25.07.2015, 01:01

Wolmirstedt l Wer sich mit Tom Borchert verabredet, muss früh aufstehen. Zumindest im Sommer. Sobald der Tau von den Feldern verdunstet ist, schwingt er sich auf den Mähdrescher und bringt die Ernte von Raps, Mais oder Getreide ein. Oft bis spät in die Nacht.

Die Agrar GmbH bewirtschaftet 930 Hektar Acker und 70?Hektar Grünland und das Zeitfenster für die Ernte ist klein. Jeder Regen verengt es, weil nicht nur der Schauer, sondern auch das Abtrocknen der Felder abgewartet werden muss. Aber genau darin liegt für Tom Borchert die Faszination. „Landwirte leben von und mit der Natur“, sagt er, „man kann alles richtig machen, aber wenn das Wetter nicht mitspielt, hat man verloren.“ Totale Dürre oder ein Hagelschlag vor der Ernte machen die Arbeit des Jahres zunichte.

In diesem Jahr scheint es gut zu gehen. Angesagte Sturmböen und Unwetter fürchtet Tom Borchert nicht. „Wolmirstedt bekommt davon meistens nichts ab.“ Mittellandkanal, Elbe und Umspannwerk erwirken eine Art Ring um die Gegend und halten tobende Himmelsmachten meist fern.

Ein paar Tage muss das auch noch so bleiben. Tom Borchert zupft kleine Körner vom Halm des Winterweizens. Sie sind hart und das ist ein Zeichen für Reife. Die Qualität befindet der Landwirt für gut. Geerntet wird trotzdem noch nicht, denn inmitten des Feldes schimmert Getreide grün. Erst wenn auch diese Halme die nötige Festigkeit haben, rücken die Mähdrescher an.

Die Aufmerksamkeit des Landwirts gehört derzeit dem Winterraps. Er wird vom Feld geholt und später wird daraus Biodiesel oder Speiseöl hergestellt. Aus Mais werden Biogas, Nahrungs- und Futtermittel. Für Tom Borchert verliert sich die Spur seiner Früchte, sobald sie im Handel abgeliefert sind. Das gilt auch für das Getreide, das der Handel an Mühlen vermarktet. Die Vorstellung, dass der Weg vom Korn zum Brot an nur einem Ort passiert, dass in heimischen Windmühlen gemahlen und beim Bäcker gegenüber das Mehl zu Brot- oder Kuchenteig gerührt und geknetet wird, ist längst in das Reich der Überlieferungen gesunken. Brot und Kuchen liegen anonym in den Regalen des Supermarktes. Vielleicht ist das Korn dazu sogar auf den Feldern rund um Wolmirstedt gewachsen, nur lässt sich das nicht ermitteln.

„Für den Beruf des Landwirts muss man geboren sein“, sagt der 27-Jährige. Das ist er wohl, denn seit er zwei Jahre alt ist, sitzt er auf dem Traktor. Zuerst hat ihn sein Opa mit in den Agrarbetrieb genommen, später ist er selbst mit dem Fahrrad zu den Landmaschinenfahrern gefahren. Während sich bei vielen Jungs der Traum vom Mähdrescherfahrer über die Pubertät hin verliert, hat Tom Borchert nach dem Abitur einen landwirtschaftlichen Beruf erlernt und anschließend ein Studium draufgesattelt. Er ist Bachelor of Engineering.

Ein wenig wollte er sich in anderen Betrieben umschauen, aber dann brauchte „sein“ Wolmirstedter Betrieb einen neuen Leiter. Für alle war klar, das kann nur Tom Borchert sein. Am 1. Juni 2013 hat er dort als Chef angefangen. Dann kam das Juni-Hochwasser. Da standen nicht nur die Felder komplett unter Wasser, auch der Betrieb überflutete, weil niemand gewusst hatte, dass es unter der Straße Durchlässe gibt, die das Wasser von den Feldern hinter dem Handwerkerring auf das Gelände lassen.

Wie zum Trost hat es darauf ein „Super-Erntejahr“ gegeben. Schon jetzt ist absehbar, dass 2015 da nicht mithalten kann. Diese Schwankungen verbucht Tom Borchert unter dem Titel „Leben mit der Natur“.

Diese Naturverbundenheit teilen auch Menschen, die am Rande der Felder wohnen. Sie erleben die brummenden Mähdrescher und bekommen Staubwolken ab. Es gibt welche, die irritiert sind. „Aber die meisten halten mal einen Tag Staub oder Lärm aus“, weiß er.

Nach der Ernte bereiten die Bauern das nächste Ackerjahr vor. Obwohl Roggen die besseren Nährstoffe hat, wird von den Bürgern hauptsächlich Weizen verlangt. Deshalb wird der hauptsächlich angebaut. Kaum ist der Winterweizen geerntet, wird bald darauf der nächste in die Erde gelegt. „Im September oder Oktober wird gedrillt“, sagt Tom Borchert, so wird das Aussäen in Fachkreisen genannt. Der Weizen kann Frost abbekommen und tiefe Wurzeln bilden. „Damit sind die Pflanzen gestärkt und überstehen die Vorsommertrockenheit“, erklärt Tom Borchert. Der Raps kommt schon Mitte August in den Boden.

Tom Borchert muss viel Büroarbeit leisten, aber die schönen Momente findet er auf dem Feld. „Mit dem Mähdrescher oder dem Traktor komme ich in Gegenden, die nicht jeder sieht.“ Er kennt kleine Tümpel, an denen Biber leben, sieht Hasen und Wildschweine und den Sonnenuntergang. Die Wildschweine werden manchmal zu viel und dann halten die Jäger die Population unter Kontrolle. „Das ist ein gutes Miteinander“, sagt Borchert.

Der Tau ist verflogen. Tom Borchert geht eilig davon. Der Spruch auf seinem Shirt scheint für ihn gemacht. „Landwirt, der wichtigste Beruf auf der Erde.“