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Kreistag Heinrich: „Inklusion erfordert ein Wir“

Der Vorsitzende des Beirates für Menschen mit Behinderung sprach vor den Mitgliedern des Kreistages Anhalt-Bitterfeld in Zerbst.

Von Katrin Wurm 27.09.2016, 06:00

Zerbst l „Von einer wirklich gleichberechtigten Teilhabe sind wir noch weit entfernt. Es gibt Debatten über inklusive Bildung, oft aber nur in Fachkreisen“, sagte Joachim Heinrich vor den Mitgliedern des Kreistages Anhalt-Bitterfeld. Heinrich, der Vorsitzender des Beirates für Menschen mit Behinderungen im Kreis ist, nutzte seine Redezeit im Anhalt-Bitterfelder Kreistag, um zur Umsetzung des Aktionsplanes „Deutschland wird inklusiv – wir sind dabei“ zu reden. Dabei ging er besonders auch auf die Situation der Menschen mit Behinderung im Landkreis ein. Er ordnete im Namen des Beirates ein, wo es noch Handlungsbedarf gebe und was sich positiv geändert habe.

„Es gibt noch sehr viel zu tun. Inklusion fordert uns viel ab. Und Inklusion erfordert ein Wir. Die Situation von Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt kann uns auch im Landkreis noch nicht befriedigen“, ordnete Heinrich ein.

Im Landkreis Anhalt Bitterfeld leben 13.823 schwerbehinderte Menschen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent. Das macht 8,3 Prozent der Kreisbevölkerung aus. „Beziehen wir die Bürger ein, die das Merkmal ‚gleichgestellt‘ haben, also einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 Prozent, kommen wir sogar auf zehn Prozent. 51,3 Prozent von ihnen sind männlich, 48,7 Prozent weiblich“, so Heinrich zu den Zahlen.

Im Rahmen des Aktionsplanes „Deutschland wird inklusiv – wir sind dabei“ – dieser wurde vor zwei Jahren von den Kreistagsmitgliedern beschlossen – hat sich der Behindertenrat in den Jahren vor allem mit dem Behindertengleichstellungsgesetz und dem Bundesteilhabegesetz beschäftigt. Das Behindertengleichstellungsgesetz soll im Wesentlichen die Barrierefreiheit von Bundesbehörden regeln. Doch da gebe es noch erheblichen Nachholbedarf. „Deswegen findet das Leben von Menschen mit Behinderungen überwiegend außerhalb von Bundesbehörden statt“, erklärte Heinrich. Barrierefreiheit sei noch nicht durchgehend reglementiert. „Während wir beim Behindertengleichstellungsgesetz Licht und Schatten ausmachen können, sehen viele für uns schwarz, wenn es um das Bundesteilhabegesetz geht“, erklärte Heinrich den Kreistagsmitgliedern.

Mehrere Aspekte sieht der Beirat noch als kritisch an, wenn es um die Novellierung des Teilhabegesetzes gehe. Einmal geht es um das Recht auf freie Wahl von Wohnort und Wohnform. „Dieses Recht wird derzeit nicht realisiert, sondern weiter eingeschränkt. Schon jetzt müssen behinderte Menschen, die auf eine Assistenz angewiesen sind, lange um die notwendigen Unterstützungen in der eigenen Wohnung kämpfen, wenn eine Heimunterbringung kostengünstiger ist“, erklärte Heinrich den Kreistagsmitgliedern die aktuelle Situation.

Ebenfalls kritisiert wird die Situation rund um die Einkommens- und Vermögensanrechnung. „Nehme die Bundesregierung die UN-Behindertenrechtskonvention als geltendes Recht in Deutschland ernst, so müsse die Anrechnung von Einkommen und Vermögen der betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen auf die behinderungsbedingten Leistungen ganz entfallen“, so Heinrich. Die Vermögensgrenzen wurden jetzt zwar angehoben, „aber das Einkommen wird weiter angerechnet. Behinderte Menschen mit einem geringen Einkommen werden künftig mehr behalten dürfen. Dafür müssen aber die mit einem höheren Einkommen mehr bezahlen als bisher“, erklärte Heinrich die aktuelle Situation.

Große Defizite sieht der Behindertenverband auch noch bei der Teilhabe am Arbeitsleben. „Eine verbesserte Beschäftigung schwer- und schwerstgeschädigter Menschen auf dem Arbeitsmarkt wird kaum angegangen“, sagte Joachim Heinrich.

Heinrichs erklärte den Kreistagsmitgliedern auch die Ziele, die sich der Beirat für seine Arbeit im Kreis gesetzt hat. Vor allem geht es dem Beirat darum, dass die Mitwirkung von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gemeinschaft gestärkt werde. „Wir wollen der Gefahr von Isolierung entgegenwirken.“