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Leserbrief Rätsel weckt viele Erinnerungen

Zum letzten Heimatfotorätsel schrieb Ekkehard Burghausen aus Meinerzhagen einen Brief.

Von Sebastian Siebert 04.12.2016, 04:00

Zur Auflösung des Heimatfotorätsels „Rutschpartie auf der gefrorenen Schaftränke“ vom 19. November, bei dem es um den Dorfteich von Steckby samt der Heimatstube im Hintergrund ging, erreichte uns folgende E-Mail aus dem Sauerland: Über diesen Beitrag aus Ihrer Reihe „Kennen Sie Ihre Heimat?“ habe ich mich sehr gefreut, weckte er doch viele Erinnerungen in mir. Aber der Reihe nach: Ich heiße Ekkehart Burghausen und bin am 31. März 1939, 15 Minuten vor Mitternacht (sonst wäre ich vermutlich ein Aprilscherz geworden), im Schulhaus in Steckby geboren. Ob ich das einzige in diesem Haus geborene Kind war oder bin, kann ich nicht sagen. Meine Eltern, Hermann und Maria Burghausen, kamen zum Schuljahresbeginn 1938 als Lehrer in das Dorf an der Elbe.

Von meiner Mutter, die damals alle Kinder von der ersten bis zur achten Klasse in einem Klassenraum unterrichtete, war ja in dem Beitrag die Rede. Mein Vater, der 1939 im zweiten Weltkrieg eine schwere Kopfverletzung erlitt, unterrichtete ab 1947 im Nachbarort Steutz. Meine Schwester, 1941 im Zerbster Krankenhaus geboren, und ich verlebten in Steckby eine schwere, aber doch schöne Kindheit.

Schwer deshalb, weil der Krieg auch über unser schönes Heimatdorf hereinbrach. In den letzten Kriegstagen war das Steckbyer Schulhaus zu einem Lazarett umfunktioniert worden. Viele verwundete Soldaten wurden in den Kellerräumen operiert und behandelt. Meine Mutter fungierte als Krankenschwester und Trösterin. Jahrelang hatte ich noch Albträume, wachte nachts schweißgebadet auf, weil ich im Traum die Schreie der Verwundeten hörte.

Dann wurde Steckby bei einem Luftangriff der US-Armee in Schutt und Asche gelegt. Bei unserem Nachbarn, dem Schäfermeister Friedrich, brannten Wohnhaus und Schafstall ab. Ich erinnere mich noch an einen weinenden Paul Friedrich, der immer wieder rief: „Wo sind meine Schafe, meine Hunde?“

Schön war es dann für uns Kinder, als der Krieg vorbei war. Das ganze Dorf gehörte uns! Wir schlossen Freundschaften, spielten gemeinsam und meine Mutter organisierte kleine Feste.

Die Winter – ja, es waren noch Winter – waren besonders reizvoll. Auf der zugefrorenen Tränke vor dem Schulhaus wurde gespielt und mit den knüppelharten Igelitschuhen geschliddert. Auch ich brach mehrmals in dem Eis ein und saß dann anschließend in eine Decke gewickelt am Küchenofen.

Wie das bei Kindern so ist, es wurden auch die Geburtstage gemeinsam gefeiert. Was unsere Mütter aus dem, was nach dem Krieg vorhanden war, an Spielzeug und Essen für uns zauberten, lässt mich heute noch erstaunen. Für mich war der Mohnkuchen der Familie Schönemann, wenn mein Freund Erich (ja, er ist der Gewinner dieses Fotorätsels) Geburtstag hatte, das größte. Erich erzählte mir viele Jahre später, dass in seiner Familie immer noch der Kartoffelsalat nach meiner Mutters Rezept gemacht wird.

1951 wurden meine Eltern versetzt. Mutter übernahm die Grundschule in Senst, Vater wurde Direktor der Zentralschule Cobbelsdorf. Ich hatte in meinem neuen Zuhause wochenlang Heimweh nach Steckby und wurde regelrecht krank. In den ersten großen Ferien durfte ich dann zu Schönemanns zu Besuch fahren. War das ein Erlebnis!

Dann kamen Oberschulzeit, Nationale Volksarmee, Studium und Beruf. Die Verbindung nach Steckby riss immer mehr ab, zumal viele meiner Schulkameraden ebenfalls von dort wegzogen. Ab und an zieht es mich aber wieder in meinen Geburtsort, der heute schöner ist denn je. Dann werden die Erinnerungen wieder wach. Zuletzt waren meine Frau und ich für einige Stunden im September in Steckby. Meine Frau hatte Klassentreffen in Roßlau und wir nutzten die freie Zeit zu einem kleinen Abstecher.

 

Ekkehart Burghausen, Meinerzhagen