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Sprachlehrer Bedarf ist da, Verträge nicht

Die Verträge der Sprachlehrer einiger Zerbster Schulen laufen am 31. Dezember aus - trotz anhaltenden Bedarfs.

Von Sebastian Siebert 11.11.2016, 00:01

Zerbst l „Ich komme mir so vor, als würde ich die Kinder verraten.“ Matthias Babatz blickt mit einiger Sorge auf die kommenden Wochen. Denn seine berufliche Zukunft ist ungewiss. Das allein ist schlimm genug, doch mittlerweile hängt sein Herz an den Schülern in seiner Klasse und an seiner Aufgabe, ihnen die deutsche Sprache beizubringen. Der Integrationslehrer an der Zerbster Grundschule an der Stadtmauer ist seit dem 1. Januar dort beschäftigt, befristet bis zum 31. Dezember. Was danach passiert, wisse keiner. Aus der Presse war zu entnehmen, dass Stellen wie seine darüber hinaus nicht verlängert werden sollen. Und genau dieses Situation verleitet ihn zu dem Eingangssatz.

Schließlich sei es mitten im Schuljahr. Seine Aufgabe ist es, Kindern, die keinerlei Deutschkenntnisse haben, diese soweit zu vermitteln, dass sie in den Klassenverband wechseln können – integriert werden können – um ganz normal am Unterricht teilzunehmen. 27 sind es mittlerweile an der Grundschule. „Vorgegeben sind dafür sogar 18 Monate, die Kinder in einer Sprachklasse bleiben sollen“, sagte der Lehrer, dessen Vertrag auf zwölf Monate befristet ist. „Die Schülerin, die ich am längsten betreue, hat abzüglich der Ferien gerade einmal sieben Monate Unterricht bei mir“, macht er auf einen Missstand deutlich.

Schulelternratssprecher Marcus Neumann sagt: „Wir wollen, dass Herr Babatz bleibt.“ Denn aus seinen Gesprächen mit den anderen Lehren, seinen eigenen Erfahrungen als Vater eines Drittklässlers aber auch in Rücksprache mit dem Rat hält er die Arbeit des Integrationslehrers für unverzichtbar. „Die Alternative soll sein, die Kinder sofort in eine Klasse zu bringen. Doch wenn diese nicht die Sprache können, was soll das bringen? Sie verstehen ja nicht mal die Frage nach ihrem Namen. Sie würden sofort ausgegrenzt werden. Integration geht so nicht.“ Deshalb schrieb er kurzerhand an Bildungsminister Marco Tullner. Der antwortet, dass es Unfug gewesen sei, die Lehrer bis zum 31. Dezember einzustellen. 50 Lehrer seien dauerhaft eingestellt worden, 75 weitere werden gebraucht, um den Bedarf bis zum Schuljahresende zu decken. „Dafür suchen wir gerade 2 Millionen Euro.“ Er sei guter Dinge, wenigstens das hinzubekommen. Sicher sei das nicht. In 14 Tagen werde man klarer sehen.

In der Ciervisti-Schule gibt es die gleiche Situation. Dort betreut Annegret Schulze 24 Kinder aus sechs Nationen. „Es gab eine Zeit, da war eine Frau schwanger und man wusste nicht, ob es ein Junge oder Mädchen wird. So ist das bei uns auch“, sagt Ciervisti-Schulleiter Franz Köppe. „Wir hoffen nur, dass das Kind gesund wird.“ Die Lehrerschaft und der Elternrat hat gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Integrationslehrerin protestiert. „Nun gibt es Bestrebungen im Land Sachsen-Anhalt. Ich bekam gestern einen Anruf aus Halle, ob wir noch Bedarf haben. Na klar haben wir den“, sagt er. Er hofft, dass der Schwebezustand bis zum 16. Dezember geklärt ist. Das ist der letzte Schultag in diesem Jahr. Ohne die Lehrer könne man von einer Integration nicht mehr reden, so Köppe.

Babatz hat sich zum 1. Januar arbeitssuchend gemeldet. Nur für den Fall. „Das Amt sagt, das sei richtig. Sonst müsste es mir noch eine Sperre von drei Monaten geben.“