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Exotische Fundtiere Echsen und Co. sind Dauergäste im Tierheim

Tierheime stehen vor einer neuen Herausforderung: exotischen Fundtieren. Zu Katze und Hund gesellen sich immer häufiger Vogelspinne und Leguan. Bis für sie ein neues Zuhause gefunden wird, kann es dauern.

Von Sandra Reulecke 17.06.2015, 18:03

Magdeburg | Hund, Katze, Meerschweinchen - das ist immer mehr Deutschen zu langweilig. Kuschelig soll das Haustier nicht mehr sein. Exotisches ist gefragt.

Laut dem Industrieverband Haustierbedarf stehen etwa in einem Prozent der deutschen Haushalte Terrarien. Klingt wenig. Aber: Es handelt sich dabei um 800.000 Stück. Stellt man dann noch die Angaben des Deutschen Tierschutzbundes dagegen, wird das Ausmaß der Entwicklung erst deutlich. Der Interessenverband schätzt, dass von 1994 bis 2014 rund 280.000 Grüne Leguane, 213.000 Pythons, 15.000 Boas und 30.000 Warane nach Deutschland importiert worden.

Legal eingeführt, artgerecht gehalten und in Expertenhand ist gegen exotische Mitbewohner nichts einzuwenden. Doch es kommt immer wieder vor, dass Tierhalter mit der Pflege ihrer Reptilien, Spinnen oder sogar Fische überfordert sind, berichtet Andreas Reichardt. Der Leiter des Tierheims Magdeburg und seine Mitarbeiter müssen sich immer häufiger um exotische Fundtiere kümmern.

Ähnlich ist die Situation im gesamten Bundesgebiet. So gibt der Deutsche Tierschutzbund an, dass seine 700 Mitgliedsvereine innerhalb von fünf Jahren hochgerechnet etwa 30.000 Reptilien aufnehmen mussten (Stand: 2014). "Die meisten Fundtiere sind bei uns zwar weiterhin Katzen und Hunde, aber auch immer wieder Schlangen, Schildkröten und Vogelspinnen", sagt Reichardt. "Alles, was es in Zoohandlungen zu kaufen gibt, landet auch bei uns im Tierheim."

Reptilien fehlt Kuschelfaktor

Seit Mitte Mai pflegt der 53-Jährige eine Bartagame im Magdeburger Tierheim. "Das Tier wurde auf einer Wiese in Magdeburg-Reform gefunden", berichtet Reichardt. Das Alter der Schuppenechse lasse sich schlecht schätzen, ein Jungtier sei es jedoch nicht mehr. "Er ist ein handzahmer, friedlicher Zeitgenosse", versichert der Tierheimleiter.

Dennoch rechnet er dem noch namenlosen Fundtier nur schlechte Chancen aus, schnell ein neues Zuhause zu finden. Es wird wohl ein Dauergast im Tierheim werden. "Die Vermittlung von Reptilien ist meistens schwierig und langwierig", so Reichardt. Echsen und Schlangen fehle der "Niedlichkeits- und Kuschelfaktor". Auch berge die Haltung von Exoten mehr Herausforderungen an den Besitzer als bei einem Hamster. Das fängt schon beim Futter an: Auf dem Speiseplan der Bartagamen stehen zum Beispiel lebende Grillen und Heuschrecken. Wohl nichts für schwache Gemüter.

Keine artgerechte Haltung möglich

Die in Australien beheimateten Echsen mögen es außerdem hell und sehr warm. Halter empfehlen 12 bis 14 Beleuchtungsstunden täglich. "Es sind spezielle Terrarien notwendig", informiert Andreas Reichardt. Für exotische Gäste wie Echsen und Schildkröten musste das Tierheim der Stadt Magdeburg in den letzten Jahren aufgerüstet werden: Heizstrahler, Rotlichtlampen, Terrarien, Außengehege und Aquarien.

Kleinere Tierheime, die von Vereinen betreut werden, können so etwas oftmals nicht vorhalten. "Wir könnten Exoten nicht artgerecht halten", sagt Dagmar Fichtner. Sie leitet das Tierheim in Derenburg, Landkreis Harz. "Bislang halten sich die Anfragen zum Glück noch in Grenzen." Geckos und Schildkröten seien zwar schon abgegeben worden, aber nur vereinzelt. "Wenn Anfragen zu Exoten kommen, müssen wir auf andere Einrichtungen oder Experten verweisen", berichtet Dagmar Fichtner.

Das war erst kürzlich der Fall. Eine Frau rief an, weil sie sich wegen eines Umzugs von ihren Haustieren trennen müsse - Flusskrebse. Gehalten in der heimischen Badewanne. "Mit so was rechnet man wirklich nicht", so die Tierheimchefin, die der Anruferin absagen musste. Weder sie noch ihr Team besäßen genügend Fachwissen für solche Fälle.

Die Tierheimchefin rät generell davon ab, sich Spinnen, Schlangen und Reptilien ins heimische Wohnzimmer zu holen. "Artgerecht ist das für mich nicht. Diese Tiere sind es gewohnt, sich frei zu bewegen und nicht in einen kleinen Glaskasten gesperrt zu sein." Sie und ihr Magdeburger Kollege bemängeln, dass der Zugang zu exotischen Tieren zu leicht gemacht wird. "Es ist ein Problem, dass Tiere zu leicht zu beschaffen sind, zum Beispiel über das Internet", kritisiert Andreas Reichardt. Auf Kleinanzeigen-Portalen werden zum Beispiel Schildkröten schon ab zehn Euro verkauft, einige Nutzer bieten sie sogar zum Verschenken an.

Vor Exoten-Kauf informieren

Reichardt wünscht sich, dass sich künftige Halter besser informieren, möglichst bei mehreren Anlaufstellen. "Denn auch bei Verkäufern ist es so: Es gibt sehr gute mit viel Fachkenntnis und schwarze Schafe", sagt der Veterinäringenieur. Gerade für exotische Tiere sei jedoch eine ausführliche Aufklärung unter Berücksichtigung der Lebensumstände und des Charakters des Käufers wichtig.

"Viele sind sonst nach dem Kauf überfordert. Sie haben das Tier schlichtweg unterschätzt", sagt Reichardt. Eine Baby-Schildkröte zum Beispiel, die beim Kauf locker auf die Handfläche des neuen Besitzers passe, kann im Laufe ihres Lebens bis zu 1,30 Meter groß werden. Und so ein Schildkröten-Leben dauert - bis zu 100 Jahre und mehr. "Vor dem Kauf sollte man sich das klarmachen, wie viel Verantwortung das ist", mahnt der Experte. Ebenso sollten die Folgekosten berücksichtigt werden: für den Tierarzt, die Nahrung, die Behausung und das Zubehör.