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Der Alt-Kanzler spricht in Magdeburg über "Kinderdienst", Agenda-Folgen und Wahl-Chancen Schröder macht seine private Familienpolitik

Von Steffen Honig 18.04.2013, 03:09

Die Sache mit dem Unions-Kompromiss bei der Frauenquote liegt Gerhard Schröder ganz schwer im Magen. "Hier wird eine riesige Mogelpackung produziert", schimpft der Ex-Bundeskanzler. "Diese Wischi-Waschi-Entscheidung wird das Wahlverhalten von Frauen beeinflussen!"

Schröder ist am Dienstagabend Talkshow-Gast auf dem "roten Sofa" beim SPD-Bundestagsabgeordneten Burkhard Lischka in Magdeburg. Wobei das Sofa im Kulturwerk Fichte diesmal aus zwei roten Sesseln besteht. Dafür gibt es im Saal genügend Platz für die rund 400, meist sozialdemokratisch geprägten Gäste. Sie erleben einen Alt-Kanzler, der wie zu besten Zeiten unterhält und poltert und mit sich im Reinen scheint. Ein Streitgespräch ist auch nicht geplant.

Der 69-Jährige ist heute sein privater Familienpolitiker. Er übernimmt in Hannover oft den "Kinderdienst" für die elfjährige Tochter und den siebenjährigen Sohn. Um seine Frau Doris, SPD-Landtagsabgeordnete in Niedersachsen und gerade zur Integrationsbeauftragten ernannt, zu entlasten. "Was getan werden muss, tue ich", bekennt Schröder kernig. Das schließe auch Brote schmieren ein - nur Kochen, das lässt er.

Doch dann ist es auch gut mit dem Privaten: "Jetzt reden wir über Politik". Etwa über seine siebenjährige Kanzlerschaft. Die Kurzbilanz klingt so: "Ich glaube, dass wir das Land vorangebracht haben." Ob ihm das Regieren Spaß gemacht habe, will Gastgeber Lischka wissen. Schröder grenzt das lieber auf "Freude" ein. Er sitze nicht da als einer, "der sich Asche aufs Haupt zu streuen hätte". Dafür streicht er den Beifall des Publikums ein. Doch Schröder bemerkt schmunzelnd, dass Katrin Budde nicht geklatscht habe. Die sachsen-anhaltische SPD-Chefin, im Saal in der ersten Reihe sitzend, gilt als scharfe Kritikerin von Schröders Agenda 2010.

"Agenda 2010 - das sind nicht die zehn Gebote."

Auch bei diesem heiklen Thema bleibt Schröder sich treu. Zwar falle seine heutige Bilanz der Reformen "durchwachsen" aus, sagt Schröder. "Agenda 2010 - das sind nicht die zehn Gebote und ich bin nicht Moses." Aber grundsätzlich steht er weiter felsenfest zum Umbau der sozialen Sicherungssysteme, der schicksalhaft für Millionen Deutsche wurde. Mit Blick auf die europäischen Krisenländer schiebt er nach: "Sie werden es auch machen müssen."

Aber nicht der Agenda allein wegen gehe es Deutschland heute besser als anderen Ländern in Europa. Schröder nennt als weitere Gründe die erhalten gebliebene industrielle Struktur mit Global Playern und einem erfolgreichen Mittelstand sowie die verantwortungsvolle Lohnpolitik von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden. Einen Mindestlohn ("8,50 Euro sind ok.") hätte er auch gern eingeführt, doch dafür habe es damals keine Mehrheit gegeben. Selbst die Gewerkschaften seien noch nicht soweit gewesen.

"Da oben wird die Luft sehr dünn."

In seiner Regierungszeit sei ihm ein Nein wie zum Irak-Krieg leichtergefallen, als sich für die Kampfeinsätze in Ex-Jugoslawien und in Afghanistan zu entscheiden, bekennt Schröder. "Da oben wird die Luft sehr dünn."

Mit seiner Nachfolgerin im Kanzleramt, der Christdemokratin Angela Merkel, geht der frühere Hausherr im Berliner Kanzleramt vergleichsweise milde um. Deren erprobte Methode sei es, stets im Mainstream mitzuschwimmen. "Nicht ohne Erfolg, wie wir bedauerlicherweise feststellen müssen." Die Zeit zum Handeln aber jedesmal zu verpassen, sei eben keine politische Führung.

Schröder wirft Merkel zwar vor, zu Beginn der Euro-Krise Griechenland-Bashing betrieben zu haben. Er begrüße aber, dass es im stärksten EU-Land zwischen den bestimmenden Parteien keine Differenzen in zentralen Europa-Fragen gebe. Der Alt-Kanzler betont: "Wenn der Euro auf Dauer stabil sein soll, müssen wir eine Wirtschaftsregierung schaffen."

Die Bundestagswahl gibt Schröder für die SPD noch nicht verloren: "Ich hoffe, das Peer Steinbrück Kanzler wird." Die Kampfeslust seiner Partei befeuert er im Lande Luthers mit einem deftigen Zitat des Reformators: "Aus einem verzagten Arsch kommt nie ein fröhlicher Furz."