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Präsidentenwahl Griechisches Staatsschiff in Seenot

Von Steffen Honig 17.12.2014, 02:12

Die Reizwörter Merkel, Troika und Schäuble sind auch nach vier Jahren permanenter Krise geeignet, Griechen auf die Barrikaden zu treiben. Wenn nach relativer Stabilisierung nun wieder neue Turbulenzen entstehen, sind diese allerdings weder fiesen Kontrolleuren noch geizigen Deutschen anzulasten - sie sind hausgemacht.

Sechs Jahre Dauerkrise schienen überwunden, als Ministerpräsident Adonis Samaras für das dritte Quartal 2014 ein Wachstum von 1,4 Prozent bilanzieren konnte. Die griechische Wirtschaft schien endgültig aus der Talsohle heraus zu sein. Eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau, aber immerhin. Die Entbehrungen schienen sich gelohnt zu haben. Es wurde wieder mehr gelächelt zwischen Korfu und Kalamata, vor allem dank der wieder gestiegenen Tourismus-Einnahmen.

Samaras stellt Tsipras das Sprungbrett hin

Doch zur Ruhe gekommen ist Hellas nicht. Im Gegenteil: Neuer Sturm wird durch innenpolitische Auseinandersetzungen genährt. Die linke Syriza-Partei mit ihrem charismatischen Führer Alexis Tsipras, durch die Protestbewegung gegen den Sparkurs im Lande groß geworden, will endlich an die Macht kommen. So schnell wie möglich, ehe sich der konservative Samaras die Konsolidierung Griechenlands endgültig ans Revers heften kann.

Das Sprungbrett dafür hat der linksradikalen Syriza ausgerechnet Premier Samaras hingestellt. Weil das griechische Staatsschiff wieder zunehmend in Seenot gerät, zog er die für das Frühjahr geplante Präsidentenwahl auf diesen Monat vor.

Das Parlament trifft sich bereits am heutigen Mittwoch zum ersten Wahlgang. Bislang einziger Kandidat der Regierungsparteien ist der konservative frühere EU-Kommissar Stavros Dimas. Der 73-Jährige war zuletzt bis 2010 in Brüssel für das Umweltressort zuständig und hat aich als solcher mit der Verschärfung der Autoabgas-Vorschriften hervorgetan. Ein honoriger Mann, was ihm allerdings wenig nutzen dürfte.

Koalition auf Schützenhilfe im Parlament angewiesen

Dimas braucht 200 der 300 Abgeordnetenstimmen. Die Koaltion aus konservativer Neo Demokratia und sozialdemokratischer Pasok verfügt aber nur über 155 Sitze im Parlament. Ob unabhängige Kandidaten oder die Abgeordneten kleinerer Parteien Dimas über die 200-Stimmen-Schwelle verhelfen können und wollen, ist ungewiss. Das gibt reichlich Raum für Spekulationen - etwa über Stimmenkäufe.

Für Neo Demokratia und Pasok könnte ein Scheitern ihres Kandidaten der Beginn des Machtverlustes sein. Stärkste Partei im Lande ist nach den Umfragen Syriza. Würde die Links-Partei diese Werte bis zu einer baldigen Parlamentswahl halten, könnte der nächste griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras heißen.

Für Syriza werden derzeit um die 27 Prozent Stimmenanteil prognostiziert, die Neo Demokratia läge etwa 3 Prozent dahinter. Die Pasok wäre mit 5 bis 6 Prozent schon gut bedient. Da die Gewinnerpartei in Griechenland 50 Parlamentssitze Bonus erhält und sich garantiert Koalitionspartner aus dem linken Spektrum finden würden, wäre die Basis für einen radikalen Wechsel gegegben.

Ungewiss ist dann, ob das bisherige Griechenland-Hilfsprogramm wie geplant im Februar tatsächlich abgeschlossen werden könnte. Das Ende des Sparkorsetts ist Kernforderung von Syriza. Die Partei will alle Abmachungen mit der Kontroll-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Währungsfonds auf den Prüfstand stellen und einen Schuldenerlass durchboxen.

Nicht von ungefähr verbreiten die Regierungsparteien vor dem Präsidentschafts-Votum bereits Weltuntergangsstimmung in Hellas. Aus dem Lager von Neo Demokratia und Pasok tönt es: Wenn wir nicht mehr regieren, kommt es schlimmer als mit Merkels Daumenschrauben.