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Lischka fordert Rechtsgrundlage für Auslandsaufklärung "Abschottung im BND aufbrechen"

Von Steffen Honig 02.06.2015, 03:34

Die NSA-Affäre belastet seit 2013 die deutsch-amerikanischen Beziehungen und hat die Kanzlerin in Erklärungsnöte gebracht. Konsequenzen, bei denen es bisher dünn aussieht, zeichnen sich beim Bundesnachrichtendienst ab: Für die deutsche Auslandsaufklärung sollen neue Regeln gelten.

BND-Präsident Gerhard Schindler übte sich jüngst vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages in Demut: Er habe sich nicht vorstellen können, dass die Amerikaner seinem Dienst für Daten aus Krisengebieten Suchbegriffe - sogenannte Selektoren - mit EU-Bezug übermitteln könnten. "Diese Fantasie hat mir gefehlt", bekannte Schindler. Dass das aber so war, erhärtet den Vorwurf, der Nachrichtendienst habe den Amerikanern jahrelang geholfen, europäische Firmen und Politiker auszuspähen.

Die parlamentarische Kontrolle hat in diesem Fall die Fantasie des Geheimdienstes geschlagen. Drei Instrumente gibt es dafür derzeit: den NSA-Untersuchungsausschuss als zeitweiliges Gremium, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) und die G-10-Kommisson des Bundestages, die in Verdachtsfällen Abhör- und Überwachungsaufträgen zustimmen muss.

Der Magdeburger Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kennt die Materie genau - er ist in all diesen Gremien vertreten. Im NSA-Ausschuss hatte er im März dieses Jahres eine weitere Zuspitzung der Geheimdienstaffäre erlebt.

Dort bekannte der Leiter der Technischen Aufklärung beim BND, dass die auf NSA-Betreiben eingesetzten Selektoren bis zu den parlamentarischen Nachfragen in seinem Bereich "nicht ein einziges Mal ein Thema" gewesen seien. Der Unterabteilungsleiter des Bereiches hatte hingegen bereits 2013 einen Referenten beauftragt, die NSA-Selektoren gesondert zu prüfen. Dabei sollen mindestens 2000 Merkmale herausgekommen sein, die gegen deutsche und europäische Interessen verstießen. Der Mitarbeiter bestritt aber, Vorgesetzte darüber informiert zu haben.

Befugnisse klar festlegen
Für Lischka ist diese Nichtweitergabe der Informationen von unten nach oben Kern des BND-Problems. "Innerhalb des Bundesnachrichtendienstes herrscht das Abschottungsprinzip zwischen den einzelnen Ebenen. Bei heiklen Vorgängen wird nichts nach oben gemeldet. So kann keine Kontrolle funktionieren."

Lischka fordert: "Die Abschottung im BND muss aufgebrochen werden. Wir brauchen eine vernünftige Rechtsgrundlage für die Auslandsaufklärung."

Darin sollten die Befugnisse des Dienstes klar definiert werden. Deutsche und europäische Zieladressen müssten aus jeglichen Suchrastern entfernt werden. Dieses Prinzip müsse auch für die zweifellos notwendige Kooperation mit Diensten in Europa und den USA gelten. Erforderlich seien klare Meldeauflagen innerhalb des BND und zur Aufsicht und parlamentarischen Kontrolle. "Der Nachrichtendienst ist ein Teil des Rechtsstaates", so Lischka.

Eine Reform des Nachrichtendienstes, so sie denn überhaupt kommt, wird Zeit brauchen. Sofortiges Handeln verlangen Bundestagsabgeordnete, nicht nur der Opposition, aber bei den Selektoren-Listen. Um endlich Klarheit darüber zu schaffen, welche Ausspähziele die Amerikaner den Deutschen da so untergemogelt haben.

Die schwarz-rote Regierungskoalition will dabei gar nicht mehr die kompletten Listen auf dem Tisch haben. Die soll ein Sonderermittler sichten. Lischka: "Wir reden von bis zu 4,6 Millionen Selektoren. Die sind durch einen Untersuchungsausschuss in einem überschaubaren Zeitraum gar nicht aufzuarbeiten." Als Sonderermittler stellt sich der SPD-Politiker eine "integere, nicht parteipolitisch gebundene Persönlichkeit" vor. Ein ehemaliger Verfassungsrichter würde genau zu diesem Profil passen.