1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. "Die Kosten der Verträge sind oft unüberschaubar"

Interview mit Werner Rügemer, Experte für sogenannte Cross-Border-Leasing-Geschäfte: "Die Kosten der Verträge sind oft unüberschaubar"

20.04.2010, 05:16

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 19.04.2010 22:00:00
Abseits der Öffentlichkeit versuchen zahlreiche Städte in Deutschland aus verhängnisvollen Cross-Border-Leasing-Geschäften (CBL) auszusteigen – besonders die Finanznot zwingt sie dazu. Bundesweit wurden 130 bis 150 solcher Verträge geschlossen, mit denen etwa das Kanalnetz an einen US-Investor verkauft und dann zurückgeleast wurde.

Der Cross-Border-Leasing-Experte Werner Rügemer schätzt das Volumen der Verträge auf insgesamt 50 bis 60 Milliarden Euro. Der Publizist rät Städten, es auf eine Klage ankommen zu lassen, um aus den Karussell-Geschäften mit mehreren Banken und unüberschaubaren Risiken herauszukommen. Einige Fragen an Werner Rügemer:

Frage: Ist es überhaupt möglich, aus den Verträgen rauszukommen. Falls ja, was kostet es?

Werner Rügemer: Die Kosten sind ähnlich unüberschaubar wie die oft 1000 Seiten langen Geheimverträge. In Baden-Württemberg haben die Bodensee Wasserversorgung und die Landes-Wasserversorgung für ihren Ausstieg, der aber auch nur ein Teilausstieg ist, 50 Millionen Euro bezahlt. Sie müssen also mehr bezahlen, als sie bisher durch das Geschäft bekommen haben, und haben den Wasserpreis für die Bürger erhöht.

Frage: In Leipzig hat der Stadtrat entschieden, dass kein Cent mehr überwiesen wird. Ist das sinnvoll?

Rügemer: Leipzig, wo die meisten Cross-Border-Leasing-Verträge überhaupt gemacht worden sind, ist meines Wissens die erste Stadt, die auf Aufforderung einer Bank, der UBS in London, nicht zahlen will. In Leipzig geht es zunächst einmal darum, wo die Klage der Stadt gegen die Unzulässigkeit der Verträge angesiedelt ist. Die Klage richtet sich gegen einen der früheren Geschäftsführer der Kommunalen Wasserbetriebe, der ohne Genehmigung des Aufsichtsrats ein CBL-Nachfolgegeschäft abgeschlossen hat.

Die Bank, die die Geschäfte mit den Wasserwerken gemacht hat, besteht auf London. Die Stadt Leipzig besteht auf dem Gerichtsstandort Leipzig. Eigentlich aber gehört Cross Border Leasing vom Gerichtsstandort nach New York, weil hier die Geschäfte gemacht worden sind. Leipzig könnte ein Präzedenzfall werden. Ich rate den Kommunen, gegen die Verträge zu klagen, da sie tendenziös und falsch beraten worden sind.

Frage: Mindestens 30 Jahre Laufzeit und immer höhere Belastungen haben die CBL-Geschäfte vielerorts zum Fluch werden lassen. Welche weiteren Versuche auszusteigen sind bekannt?

Rügemer: Es gibt wahrscheinlich niemanden, der einen Überblick hat über Versuche, aus den Verträgen auszusteigen, da dies noch weniger öffentlich gemacht wird als die Verträge selbst. Es gibt die verschiedensten Formen von Ausstiegen – auch von Seiten der Investoren, da 2008 der Steuervorteil in den USA gestoppt wurde, mit dem die Investoren den Kauf 30 Jahre lang in den USA abschreiben konnten und davon den Städten einen Teil der Ersparnisse als "Barwertvorteil" weiterreichten.(dpa)