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Trotz Milliardenhilfe kein Ende der Misere in Sicht Schwache griechische Wirtschaft beißt sich mit starkem Euro

27.04.2010, 05:16

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 26.04.2010 22:00:00


Von Steffen Honig

Steckten die Griechen im Altertum schwer in der Klemme, befragten sie das Orakel. Das sagte ihnen anhand bestimmter Vorzeichen die Zukunft vorher. Heutzutage können die Hellenen darauf nicht mehr vertrauen. Um aber das gegenwärtige Debakel des ihres Staatswesens zu erahnen, bedurfte es des Orakels nicht.

Spätestens seit den Jugend- unruhen nach dem Tod eines 15-Jährigen durch eine Polizeikugel im Dezember 2008 in Athen waren die Risse im gesellschaftlichen Gebälk Griechenlands unübersehbar geworden. Noch einmal gelang es anschließend der konservativen Regierung, so etwas wie Stabilität herzustellen – bis der frischgewählte sozialistische Ministerpräsident Georgius Papandreou im Dezember des Vorjahres den finanziellen Offenbarungseid leisten musste.

Wieder so ein neuzeitliches Orakel. Die Europäische Union hatte diesmal sofort verstanden: Demnächst würde sie Milliardenhilfen aktivieren müssen, um Griechenland vor dem Bankrott zu retten. Am vergangenen Freitag erfüllte sich trotz der von Athen aufgelegten Sparprogramme diese unangenehme Erwartung.

Nun wird in der deutschen Politik über Umfang und Modalitäten der Hilfe gezankt. Es geht dabei nicht zimperlich zu. Ein CDU-Politiker tat sich bereits vor Wochen mit der dümmlichen Idee hervor, dass die Griechen ihre Inseln verkaufen sollten. Die CSU will nun Griechenland den Euro sofort wieder wegnehmen. Regierungschefin Angela Merkel, beim jüngsten EU-Gipfel wegen ihrer Ablehnung von Finanzhilfen als "Eiserne Kanzlerin" apostrophiert, ist inzwischen bei einem moderaten "Ja, aber…" angekommen.

Dabei dürfte allen Beteiligten klar sein: Würden Griechenland die Milliarden-Hilfen verwehrt und das erste Euro-Land meldete Bankrott an, schadete Deutschland letztlich nur sich selbst. Die Bundesrepublik lebt von ihren Exporterfolgen. Für diese ist ein stabiler Euro unerlässlich.

Diesen Zusammenhang traut sich die Politik den Bürgern kurz vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nur kleckerweise zu vermitteln. Von Schwarz bis Grün wird vor Steuerverschwendung gewarnt, wo doch Deutschland schon der größte EU-Nettozahler sei…

Geben und nehmen

Gewiss zahlt Berlin nominell das meiste Geld in den EU-Haushalt ein, profitiert aber auch überdurchschnittlich. So speiste Deutschland den Brüsseler Topf 2008 nicht mit den eingezahlten rund 24 Milliarden Euro, sondern real mit 8,8 Milliarden Euro. Im Verhältnis zum Nationaleinkommen liegen übrigens andere Länder wie Frankreich oder Italien mit ihren prozentualen Beiträgen zum EU-Haushalt noch vor Deutschland. Wenn Griechenland jetzt vom Internationalen Währungsfonds und den EU-Partnern – mit den avisierten 45 Milliarden Euro oder mehr – geholfen wird, bleibt die entscheidende Frage: Wie können sich die Griechen auf die Dauer selbst helfen?

Vorausgesetzt, die aktuelle Krise geht ohne Regierungssturz und schwere soziale Unruhen aus, wird Griechenland nach der Rosskur bestenfalls einen halbwegs soliden Haushalt, ein Steuersystem, das den Namen verdient und ein ansatzweise reformiertes Sozialsystem vorweisen können.

Doch schon die Korruptionsbekämpfung erscheint als zweifelhaftes Unterfangen.Laut einer Untersuchung der Organisation Transparency International zahlte jeder Grieche allein im Vorjahr durchschnittlich 1355 Euro an Bestechungsgeldern! Sollen künftig IWF-Posten überwachen, dass in Universitäten und Krankenhäusern kein "Fakelaki" (Schmiergeld) in Umschlägen mehr unter dem Tisch durchgereicht wird?

Auch der notwendige Umbau des öffentlichen Dienstes wirft neue Probleme auf: Wenn der überbordende Behördenapparat wirklich konsequent auf Effizienz durchforstet werden würde, stünden womöglich bald Tausende Staatsdiener auf der Straße. Wohin mit ihnen in einem Land, wo Tausende Universitätsabsolventen keine Chance auf eine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle haben?

Im produzierenden Gewerbe sieht es mau aus. Die einstmals starke Textilindustrie liegt am Boden, ebenso wie Tabak- und Zuckerrübenproduktion. Die Folgen: Griechenland führte 2008 aus Deutschland Waren im Wert von 8,3 Milliarden Euro ein, aber nur Güter in die Bundesrepublik erreichten aber nur den Wert von 1,9 Milliarden Euro.

Hoffen auf Tourismus

Vor der Hand bleibt den Griechen nur der Ausbau des Dienstleistungssektors, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen und im Wettberwerb mit den anderen Euro-Länder mithalten zu können. Das Hauptstandbein ist dabei der Tourismus. Langsam reift dabei zwischen Athen und Rhodos die Erkenntnis, dass sich mit traumhaften Inseln und archäologischen Schätzen das Geld nicht im Selbstlauf verdienen lässt.

Premierminister Papandreou gab in der Vorwoche vor der Vereinigung der Touristik-Unternehmen die Richtung vor: Niedrige Landegebühren auf Flughäfen, mehr Förderung für kleinere Betriebe, Qualifizeurng des Schiffspersonals und insgesamt preiswertere Urlaubsangebote.

Damit der Euro nicht tatsächlich wieder von der Drachme abgelöst wird, muss Griechenland die enorme Schere zwischen einer schwachbrüstigen Wirtschaft und einer starken Währung zu schließen versuchen. Wie das gehen soll? Fragen wir doch mal das Orakel…