Wohlfühl-Arbeitsplätze Sofas und PC-Spiele im Büro

Millionen Deutsche gehen jeden Tag ins Büro. Doch Kreativität und
Kommunikation drohen beim Alltag am Schreibtisch auf der Strecke zu
bleiben. Deshalb denken immer mehr Unternehmen um: neue Bürokonzepte
sollen Mitarbeiter locken - und Kosten sparen.

18.08.2014, 01:34

Berlin (dpa) l Schiefe Lamellen am Fenster, staubige Topfpflanzen und bräunlicher Teppichboden: Das Büro hat für viele kein gutes Image. Dabei verbringen nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin etwa 18 Millionen Deutsche ihre Arbeitszeit dort.

"Gerade in öffentlichen Verwaltungen gibt es Bereiche, die modernisiert werden könnten", sagt Manfred Fischer, Vorsitzender des Deutschen Netzwerk Büro. Der Klassiker in Deutschland sei das "Skatbüro", sagt Fischer scherzhaft: Drei Mitarbeiter teilen sich ein Büro, oft sitzt einer mit dem Rücken zur Tür. Doch die Ansprüche der Arbeitnehmer steigen - das zwingt viele Unternehmen zum Umdenken.

"Alle Großkonzerne setzen sich mit der Thematik auseinander und man merkt, dass auch immer mehr mittelständische Betriebe damit anfangen", sagt Stefan Rief. Er leitet am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation die Abteilung "Workspace Innovation". Die Unternehmen wollen dadurch die Bindung an den Arbeitgeber stärken und Leute gewinnen.

Lockere Atmosphäre soll Mitarbeiter binden

So wie die Spielefirma Wooga. In den Berliner Firmenräumen arbeiten mehr als 250 Mitarbeiter auf drei Ebenen. Die bunten Räume wirken wie der Traum von kleinen und großen Kindern. In einem Zimmer mit Sofas und Flachbildschirmen können Computerspiele gedaddelt werden. In grün ausgekleideten Boxen können sich die Mitarbeiter entspannen. "Das muss man bieten, um konkurrieren zu können", sagt Sprecherin Marie-Blanche Stössinger. "Entwickler sind eine heiß umkämpfte Talentgruppe."

Mit neuen Bürokonzepten können Firmen auch Geld sparen. Stefan Rief erinnert sich an ein Callcenter in Rotterdam, das mit Sitzsäcken und Paletten eine lässige Atmosphäre schuf. Das Unternehmen habe es geschafft, den für Callcenter typischen hohen Wechsel in der Belegschaft zu halbieren - das spart Schulungskosten.

Auch andere Firmen beschäftigen sich mit neuen Formen der Büroarbeit. So bietet das Betahaus in Berlin und Hamburg flexible Arbeitsplätze, wo Selbstständige einzelne Schreibtische und Räume mieten können. Und das Internetkloster, ein Unternehmen für Sozialkapital-Umfragen, residiert in einem mittelalterlichen Salzburger Wehrschloss. "Die Klöster haben Weinbau, Bier oder den Buchdruck entwickelt", sagt Gründer Alexander Dill zur Idee. Sie seien Orte handwerklicher Perfektion gewesen. Diesen Anspruch habe auch das Internetkloster.

Offene Räume verbessern die Kommunikation

Auch gestiegene Anforderungen an die Arbeitnehmer zwingen Unternehmen zum Umdenken. "Es geht immer mehr in Richtung Offenheit", sagt Rief. Statt dem persönlichen Schreibtisch setzen sie auf flexible Konzepte mit verschiedenen Möglichkeiten - von der ruhigen Bibliotheksatmosphäre bis zum Tisch für wechselnde Teams. Mit offenen Räumen soll die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern verbessert werden.

Auch im bunten Wohlfühl-Büro von Wooga gibt es kaum Einzelzimmer. Für private Gespräche oder Telefonate können sich Mitarbeiter nur in schachtelartige Mini-Räume zurückziehen. Und der Großraum wird bei Firmen immer beliebter. Laut Rief beginnt er ab 400 Quadratmetern und etwa 25 Mitarbeitern. "Ab da stellt sich ein Grundrauschen ein." Das birgt Risiken. Angestellte können sich mit dem Geräuschpegel unter Umständen schlechter konzentrieren. "Bei einigen Konzepten mangelt es an Rückzugsmöglichkeiten." Ein Zimmerchen genüge dafür nicht. Ob Stufen zum Sitzen oder ein runder Tisch: "Abwechslung fördert Kreativität."

So hat Google Deutschland Themenräume: Ein Konferenzzimmer sieht aus wie eine Kapitänskajüte, ein Rückzugsraum gleicht dem Inneren eines Flugzeugs. Und wer eine kreative Pause braucht, kann ins mit Schaumstoffwürfeln gefüllte "Schwimmbad" gehen. "Das Konzept geht ganz gut auf", sagt Sprecherin Lena Heuermann. Doch so etwas von heute auf morgen anzuschieben sei schwierig.

Universalkonzept gibt es nicht

Und nicht für alle sind bunte Wohlfühl-Büros und riesige Räume die Ideallösung. Für manche Tätigkeiten sind Einzelzimmer besser.

"Man muss sich fragen: Was möchte ich mit dem Büro erreichen?", sagt Rief. Auch wenn es für Angestellte zwischen staubigen Topfpflanzen und schiefen Lamellen am Fenster wohl nur ein schwacher Trost ist: Ein Universalrezept für das perfekte Büro gibt es wohl nicht.