Arbeitsmarkt In der Teilzeitfalle

Viele Menschen in Deutschland sind mit ihrer Arbeitszeit nicht zufrieden. Die einen müssen nach ihrem Geschmack viel zu lange schaffen, andere dürfen nicht so ranklotzen, wie sie wollen.

27.06.2015, 01:06

Wiesbaden (dpa) l So viel Arbeit war nie in Deutschland - und dennoch können viele Menschen nicht so viel anpacken, wie sie eigentlich wollen. Neben den rund 2,1 Millionen Erwerbslosen und einer "stillen Reserve" von rund 1 Million Menschen gehören dazu auch gut 2,9 Millionen Jobinhaber, die im vergangenen Jahr im Schnitt satte 11,3 Stunden pro Woche länger arbeiten und entsprechend mehr Geld verdienen wollten.

Aus den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass sich vor allem teilzeitbeschäftigte Frauen mehr Arbeit wünschen. Fast 15 Stunden in der Woche würden die Betroffenen drauflegen, wenn sie denn könnten. Von den 1,6 Millionen nach eigener Einschätzung unterbeschäftigten Teilzeitkräften sind rund drei Viertel weiblich. Sie arbeiten im Schnitt knapp unter 18 Stunden in der Woche, sprich halbtags.

Vor allem Mütter sind gekniffen: "Viele kommen nach der Kinderpause aus der Teilzeitfalle nicht heraus", schildert Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit das Problem. Auch die Pflege älterer Angehöriger bleibt oft genug Sache der Frauen, die dafür im Job zurückstecken. Notwendig seien der Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten und flexible Angebote von Unternehmen.

Genau umgekehrt ist die Geschlechterverteilung bei den 1,3 Millionen Menschen, denen sogar ihr Vollzeitjob mit durchschnittlich gut 40 Stunden nicht ausreicht. Sie wollten 2014 im Schnitt sieben Stunden drauflegen. Nach noch nicht veröffentlichten Teiluntersuchungen sind darunter überdurchschnittlich viele frischgebackene Familienväter, sagt die Statistik-Expertin Martina Rengers. Hier spiele das zunehmend engere Familien-Budget wohl eine wichtige Rolle.

Auf der anderen Seite stehen rund 900.000 Erwerbstätige, die ihre Arbeitszeit auch bei Einkommenseinbußen gerne reduzieren würden, und zwar im Schnitt von knapp 45 Stunden auf 34 pro Woche. In dieser Gruppe sind die Männer leicht in der Überzahl, nach den Gründen wurde nicht gefragt. Besonders lange Arbeitszeiten haben Selbstständige, Führungskräfte und Beschäftigte in der Landwirtschaft.

Das von der Wirtschaft nicht genutzte Arbeitspotenzial der Job-Inhaber betrug 2014 in der Summe von Über- und Unterbeschäftigung knapp 22,6 Millionen Arbeitsstunden pro Jahr, was 566.000 Vollzeitstellen (40 Wochenstunden) entsprach.