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"Erlebnis-Gastronomie" vor den Toren der Kreisstadt Burg (Erster Teil) Die Zentralhalle: Wo einst Gärtner Anton Müller seine Kundschaft zum Rauchen eingeladen hat

Von Bernd Körner und Heinz Jericho 17.03.2015, 01:28

Die Adresse der Gaststätte Zentralhalle hieß bis zu ihrem Abriss 2004 Feldstraße 1. Ihr Ursprung war die Gründung einer Tabagie, sie war aber Jahrzehnte später, bis in die 1930er Jahre, für die Burger auch Ballsaal und noch in den 1990er Jahren Sport- und Gaststätte.

Burg l Einst befand sich ihr Standort außerhalb der Stadtmauern und zwar Anfang des 19. Jahrhunderts. Anton Müller war ein Gärtner, der sich auf die Züchtung von Topfpflanzen spezialisiert hatte. Da er Wert darauf legte, dass die Kundschaft ausgiebig sein Pflanzenreich anschauen konnte, kam er auf die Idee, ihr eine Tabagie anzubieten, noch längst nicht unter den Namen Zentralhalle. Aus einer Zeitungsnotiz von 1813 geht hervor, dass er nicht nur zum Kauf der grünen Produkte einlud, sondern gleichzeitig zu einer ausreichenden Verschnaufpause bei Bier, Kaffee und Kuchen. Als der in Burg erfahrene Gastronom Christian Schumann 1848 die Gaststätte übernahm, gab es keinen Gartenbau mehr, sondern nur noch die Tabagie. Sie wurde erweitert. Er und Schwiegersohn August Zabel sorgten für Um- und Ausbau. Neben dem zweistöckigen Wohn- und Gasthäusern entstand 1850 ein Tanzsaal nebst Kegelbahn. Das bauliche Ensemble wurde auf den Namen "Zabels Garten" getauft.

1885 gab es den nächsten Besitzerwechsel. Der Familien-tradition verpflichtet, übergab Zabel die zum Ballhaus gemauserte Einrichtung seinem Schwiegersohn August Schulze. Er war der Mann, der den Namen "Centralhalle" erfand. Dieser schien den Ihlestädtern wohl zu lang. Sie bevorzugten die Kurzbezeichnung "Cent". Mathess Bubner, der nachfolgende Besitzer, erweiterte sie und ließ an den Saal eine Turnhalle anbauen.

Zahllos waren die Veranstaltungen, die in der Zentralhalle stattfanden. Da wurde im Burger Tageblatt vom 29. August 1886 ein Sommernachtsfest angekündigt. Etwas seltsam aus heutiger Sicht mutet an, dass nach der Vorführung des "Riesen-Elephanten Nabod" und des "Pracht-Feuerwerkes" ein Bauernmädchen, der Begriff wurde im Druck stark hervorgehoben, aus Westphalen "ihre Aufwartung machen wird". Waren westphälische Jungfrauen für die Burger etwa Exoten? Aus der Anzeige geht leider nicht hervor, wieso die Vorstellung eines Bauernmädchens aus dem Süden Deutschlands ein Lockmittel zum Besuch des Sommernachtsfestes gewesen sein könnte.

Apropos Weiblichkeit und Feuerwerk! Die Emanzipation machte zu diesem Zeitpunkt augenscheinlich Fortschritte. Am 12. Juni 1893 sollte gleichfalls zu einem Sommerfest ein "großartiges Feuerwerk" entzündet werden. Das für die damalige, konservative Kaiserzeit Erstaunliche findet sich in der Ankündigung: "Verfertigt und abgebrannt von der berühmten Kunstfeuerwerkerin Fräulein Albertine Rennebarth aus Magdeburg."

Die räumliche Großzügigkeit der Zentralhalle war wohl Grund, sie für politische Veranstaltungen zu mieten. Im gleichen Juni trat in ihr Graf Herbert von Bismarck-Schönhausen auf, der für den Wahlkreis und die Deutsche Reichspartei im Reichstag saß. Der älteste Sohn Otto von Bismarcks wollte in einer Wahlveranstaltung für seine Wiederwahl werben. Er tat das in dem Sommer für die Burger nicht nur in der Zentralhalle, sondern auch im Schützenhaus. In beiden Fällen waren die Organisatoren die Ortsvereine der Nationalliberalen, Freikonservativen und Konservativen, also die bürgerlichen Parteien. Zu den Einladern gehörte Carl Paasche. Der Name hatte noch zu DDR-Zeiten einen Klang. Bis in die 1950er Jahre gab es in Burg eine Tuchfabrik unter seinem Namen, bis sie in VEB Wolltuchwerke umbenannt wurde.

Die Zentralhalle war in den Jahren überhaupt oft Veranstaltungsort für das "national gesinnte" Burger Bürgertum. Im November 1902 berichtete der Afrikareisende Fritz Unger über die Erlebnisse im Burenkrieg und es gab in ihr 1907 eine Schau mit 80 Kolossal-Kriegsgemälden über den Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871.

Wieder mehr von allgemeinen Interesse dürfte im November 1913 die Information gewesen sein, dass speziell an die Einweihung der elektrischen Anlage ein Tanznachmittag gekoppelt wird.

1923 gab es den Versuch, das grüne Gelände rund um die Zentralhalle für Erholung und Gesundheitspflege zu reservieren. Der Naturheilverein ließ in ihr das 29. Stiftungsfest stattfinden und kündigte Luftbad-Freiübungen an. Zitat aus dem Burger Tageblatt: "Herr Schmidt aus Magdeburg verstand es, die Zuhörer in seinem Vortrag ,Über den Zweck bei Luftbädern` zu fesseln. Er behandelte verschiedene Krankheiten und gab die richtige Anwendung der Luftbäder bekannt."

Die turbulente Entwicklung der Weltwirtschaftskrise ab 1929 bis zur Machtergreifung Hitlers ging an Burg nicht spurlos vorüber und damit auch nicht an der Zentralhalle. Sie war jetzt vom KPD-Ortsverein ausgewählt worden, Massenveranstaltungen auf die Beine zu stellen. Im Februar 1930 hatte der Burger KPD-Funktionär Hermann Matern zu einer Versammlung gerufen. Im Tageblatt hieß es: "Seine Angriffe richteten sich in der Hauptsache gegen die Sozialdemokratie, die nach seiner Ansicht noch reaktionärer ist als die deutschnationale und deutschvölkische Partei." Eine Woche vor der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 hatte die KPD-Ortsgruppe eine Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Feier angekündigt. Und noch am 24. Februar, also gut zwei Wochen nach dem Antritt Hitlers, wagten die Burger Kommunisten in der Zentralhalle eine Versammlung. Am 15. März 1933 wurde die KPD verboten.

(wird fortgesetzt)