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Die Erkenntnisse eines eintägigen Besuches in Burg Jüdische Familie sucht nach Hilde Cohn

Von Roland Stauf 10.05.2012, 05:18

Besuch aus Israel für die Stadt Burg: Familie Cohen aus Rechowot, etwa 30 Kilometer von Tel Aviv entfernt, kam nach Burg, um auf den Spuren ihrer Vorfahren nach einem vermissten Familienmitglied zu suchen.

Burg l Esther Fischer, die in Berlin lebende Schwester von Lea Cohen, der Ehefrau von Chanan Cohen, erzählt davon, dass die Cohns 1936 Deutschland verlassen hatten und nach Palästina auswanderten. Auf dem Sterbebett hatte Chanans Vater Izchak seinem Sohn davon erzählt, dass sie damals ihre Schwester Hilde in Deutschland zurückließen und in der Folgezeit nie mehr ein Lebenszeichen von ihr bekamen. Deportiert worden soll sie sein.

Auf dem Burger Bahnhof begrüßte Bernhard Thüne-Schoenborn die kleine Gruppe, der neben den erwähnten Personen die Kinder von Lea und Chanan Cohen, Meraw und Gil, angehörten. Thüne-Schoenborn, der sich sonst um die Geschichte der Hugenotten in Burg kümmert, war darum bemüht, Licht ins Dunkel dieser Zeit zu bringen.

Erste Station des Besuchs in Burg ist das Wohnhaus der Familie Cohn in der Bahnhofstraße 28. Es steht leer. Ein Riegel mit einem Vorhängeschloss versperrt den Zugang. Bis 1935 lebte die Familie Cohn hier. Im Adressbuch der Stadt für 1935 findet sich der Eintrag: "Cohn, Georg, Kaufmann, Hauptmann-Loeper-Straße 28." Loeper war ein Nazi-Führer in Mitteldeutschland. Das Haus wurde nach dem Weggehen der Cohns zur Burger Nazizentrale.

Georg Cohn war 1919 aus dem uckermärkischen Strasburg bei Prenzlau nach Burg gekommen. Dort hatte die Familie eine Lederwarenhandlung. Sein Partner, Hermann Guiard, war Hugenotte. Cohn und Guiard kamen mit dem Schiff nach Burg, hatten nach den Berichten des mitreisenden späteren Bürovorstehers und Buchhalters August Martin eine Schuhfabrik an Bord, die sie zunächst in der Johannesstraße 10 einrichteten. In der Folgezeit verlieren sich die Spuren des Hermann Guiard in Burg. Der Firmenname lebt weiter.

Dies ist die zweite Station der jüdischen Spurensucher. Das Haus ist grau und unbewohnt. Die Firma expandierte. Während kräftig produziert wurde, begann 1925 bereits der Bau des damals modernsten Fabrikgebäudes in der Stadt hinter dem Bahnübergang in Richtung Blumenthal. Bauhausstil. Große Lettern weisen den Firmennamen aus. "Herm. Guiard Co." - weithin sichtbar. 1928 ist das Gebäude von der Firma bezogen worden. Besitzer waren damals Georg Cohn und sein Bruder Paul, der Leiter der Synagogengemeinde. Esther Fischer meint, die Firmenbezeichnung "Herm. Guiard Co." könnte nur der Verschleierung gedient haben, dass die Inhaber Juden sind. Eine Vorsichtsmaßnahme, die sich aus der Kenntnis vorangegangener Übergriffe gegen Juden ableiten lassen könnte.

1932 ist das Jahr, in dem sich die Spur der Hilde Cohn verliert. Es war das Jahr, in dem sie zusammen mit ihrer Schulfreundin Elisabeth Wolf, geb. Rinck, die Prüfung zur Mittleren Reife bestand. "Der weitere Verbleib ist ungeklärt, vermutlich ging sie in Magdeburg zur weiteren Ausbildung auf ein Internat", sagt Thüne-Schoenborn.

Weiter geht es zum jüdischen Friedhof. Nach jüdischer Sitte bedarf diese "unreine Stätte" besonderer Vorkehrungen. Männer tragen eine Kopfbedeckung. Lea Cohn bleibt mit ihrer Schwester zurück im Auto. Es könnte zu aufregend sein. Chanan Cohen und seine Kinder Meraw und Gil untersuchen akribisch die Steine. Meraw entdeckt einen Stein, dessen Schriftzug auf die Cohns deuten könnte, aber er scheint viel zu alt zu sein, um zur Familie zu passen.

Nach einem kurzen Halt an der Synagoge ist die letzte Station das Hugenottenkabinett. Alte Fotos wurden gezeigt. Verwechslungen konnten aufgeklärt werden. Spuren von Hilde Cohn haben sie nicht gefunden. Esther Fischer beschreibt das Gefühl der Juden, die nach Palästina bzw. Israel ausgewandert sind so: "Sie sind heimatlos. Die meisten können niemals dorthin, woher ihre Familien stammen. Wir waren tief ergriffen von dem, was wir sahen und wie wir aufgenommen wurden."