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Offener Brief des Gardeleger Bürgermeisters zum Verhältnis der Stadt und ihrer Ortsteile Fuchs: "Sparen, wo immer es geht"

09.04.2011, 04:26

Gardelegens Bürgermeister Konrad Fuchs hat gestern in einem offenen Brief auf die Differenzen zwischen Kernstadt und Ortschaften reagiert und seine Sicht der Dinge dargestellt. Wir veröffentlichen diesen Brief im Folgenden im Wortlaut:

"Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

es gibt verschiedene Gründe, die mich dazu bewogen haben, mich an Sie mit einem Leserbrief zu wenden.

Auslöser ist die scheinbare Zunahme einer allgemeinen Unzufriedenheit, die sich aus Entscheidungen und Prozessen infolge der Gebietsreform ergeben haben. Ich betone, dass ich die Reform selbst für überfällig halte. Nur wie sie durch die Landesregierung in unserer Region umgesetzt wurde, ist in meinen Augen mehr als mangelhaft.

"Mir wäre es lieber gewesen wäre, die Gemeinden wären nicht der Hansestadt Gardelegen zugeordnet worden"

Auch sage ich sehr deutlich, dass es mir lieber gewesen wäre, die umliegenden Gemeinden hätten zueinander gefunden und wären nicht der Hansestadt Gardelegen zugeordnet worden. Nun ist aber die Sachlage so, wie sie ist, und wir alle müssen etwas Vernünftiges daraus machen. Dabei sind wir im Wesentlichen auf uns selbst angewiesen, auf unseren Sinn und Verstand sowie auf unseren Charakter. Uns wird keiner vorschreiben oder zeigen, wie wir diese Aufgaben zu meistern haben.

"Ich stelle auch nicht die Schuldfrage, aber ich stelle fest, dass wir handeln müssen"

Stadtrat, Stadtverwaltung und Bürgermeister haben im breiten Bündnis mit den Bürgern dafür zu sorgen, dass in Zeiten knapper Kassen und einer weniger, aber älter werdenden Bevölkerung das Zusammenleben auch weiterhin funktioniert oder sogar verbessert wird. Ziel ist natürlich, soviel Lebensqualität wie möglich zu erhalten beziehungsweise zu entwickeln.

Die Fragen werden immer wieder die gleichen sein: Was können wir bezahlen, was sind Pflichtaufgaben, was geht effektiver, was lässt sich anders organisieren oder was ist nicht mehr notwendig, wo sind private oder andere Geld- und Ideengeber oder Betreiber?

Dabei gibt es schon mehr als nur gute Ansätze.

Als Beispiel will ich Zichtau nennen. Durch die Stiftung ¿Zukunft Altmark\' und den Förderverein ¿Freibad Zichtau\' sind Potentiale freigesetzt worden, die einerseits die öffentliche Hand entlasten, andererseits aber Erhaltenswertes nicht nur erhalten, sondern weiterentwickeln.

Für richtig halte ich auch die Privatisierung des Saales in Potzehne. Ähnlich positiv erscheinen mir die Aktivitäten des Fördervereins ¿Historische Region Lindstedt e.V.\', der Fördervereine für den Erhalt der Freibäder in Mieste und Potzehne, die vielfältigen Aktivitäten von Eltern in unseren Kindertagesstätten und Schulen oder die vielfältigen Aktivitäten unserer Vereine.

Das Leben in unseren Orten ist so schön, abwechslungsreich und lebenswert, wie wir es uns selbst gestalten. Der Staat muss sich aus den oben genannten Gründen immer mehr nur auf seine Pflichtaufgaben konzentrieren. In diesem Prozess befinden wir uns erst am Anfang.

Gegenwärtig ist vieles in der Veränderung, weil wir dazu gezwungen sind. Mein Grundsatz dabei lautet: Agieren ist besser als reagieren. Dabei läuft nicht alles sofort rund. Wenn Gewohntes verändert wird, kann man nicht nur Zustimmung erwarten. Wenn Fehler gemacht werden, werde ich mich dafür entschuldigen und wenn möglich, korrigieren.

Zu einigen Einzelfällen:

1. Geltende Friedhofssatzungen werden auch künftig umgesetzt, weil sie das von der jeweiligen Vertretung beschlossene Gesetz sind. Das gilt insbesondere bei der Gefahrenbekämpfung. Es wird dabei sensibel, aber trotzdem mit Nachdruck umgegangen. Wo immer es geht, wird der Ortschaftsbürgermeister dabei sein, wie zum Beispiel in Kloster Neuendorf.

2. Material und Technik werden wir auch weiterhin zentralisieren, um die Übersicht und Kontrolle zu haben, die Pflege optimieren zu können und nur das Notwendige vorhalten zu müssen. Wenn vor Ort nachweislich Geräte auch wirklich gebraucht werden, wird es die in Abstimmung mit den Ortschaftsbürgermeistern geben. Bei Arbeitseinsätzen kann man sich über das zur Verfügung stellen von Geräten und Technik verständigen.

3. Weil ich der Meinung bin, dass die Baumaßnahme ¿Dorfgemeinschaftshaus Dannefeld\' nicht ausfinanziert ist, keinerlei Fördermittel eingebunden sind, Folgekosten nicht ausreichend berücksichtigt wurden und im Übrigen die vorhandene Räumlichkeit ausreichend ist, ruht der Bau gegenwärtig.

Wir brauchen jeden Cent, um den Haushalt 2011 auszugleichen und um Fördermittel einzuwerben, damit wir unter anderem Grundschulen und Kindergärten sanieren und in den Brandschutz investieren können.

Ich tue dies nicht, um Macht zu demonstrieren oder Handelnde vor Ort zu ärgern, sondern weil die finanzielle Lage so dramatisch ist.

"Wir brauchen jeden Cent, um den Haushalt auszugleichen und um Fördermittel einzuwerben"

Vor nur zwei Jahren hatte die Kernstadt Gardelegen eine Rücklage von 7,5 Millionen Euro und Schulden in Höhe von 6Millionen Euro. Inzwischen belaufen sich unsere Schulden auf 15 Millionen Euro, wir haben keine Rücklagen mehr, aber verzeichnen sogar noch einen Soll-Fehl-Betrag im Haushalt. Ich stelle auch nicht die Schuldfrage, aber ich stelle fest, dass wir handeln müssen. Und das bedeutet für mich: Sparen, wo immer es geht, Einnahmen erzielen, wo immer es noch sinnvoll ist, und Investitionen nur da tätigen, wo sie nötig sind und wo Fördermittel akquiriert wurden.

In Anbetracht des Willens und der Fähigkeiten der Mehrzahl der handelnden Personen und der Bürger bin ich mir sicher, dass wir mit Blick auf das große Ganze die vor uns stehenden Herausforderungen meistern werden."