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Großtrappen kontra 70-jährige Bäume bei Tucheim: Kritik wird immer lauter / Stadtrat Karl-Heinz Steinel: "Zu gefällten Pappeln im Fiener sind wir zu oft belogen worden"

Von Falk Heidel 13.05.2011, 06:28

Der Protest gegen die behördlich genehmigten Pappelfällungen wegen angeblichen Trappenschutzes ebbt nicht ab. Anfang des Jahres sind im Fiener 240 Bäume gerodet worden. Im Gegenteil: Die Proteste werden immer lauter. Und immer deutlicher wird die Frage: Wer ist verantwortlich für den Frevel an der Natur?

Tucheim/Loburg. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Pappeln dafür verantwortlich sind, dass die Trappen so selten geworden sind." Mit diesem Satz brachte Landrat Lothar Finzelberg das ganze Fiener-Baumfällungs-Dilemma auf den Punkt. Beim Treffen des kreislichen Umweltausschusses am Mittwoch auf dem Storchenhof in Loburg waren die 240 gerodeten Pappeln auf einem Areal bei Tucheim Thema Nummer eins. Laut Förderbescheid des Landes sollen weitere 300 Bäume folgen.

"Zunächst soll der Landkreis ein Konzept erstellen", erklärte Kreisvorstand Bernd Girke. Inhalt: Wie viele von den restlich angedachten Bäumen sollen tatsächlich gefällt werden? Und wo finden die Ersatzpflanzungen statt? "Entsprechende Gespräche mit vielen Beteiligten finden derzeit statt. Mitte Juni wird das Konzept vorliegen", sagte Girke mit einem Seitenhieb auf das Landwirtschaftsministerium: "Gewöhnlich erstellt man erst Konzepte und gibt danach Fördergelder aus, nicht umgekehrt."

Der Tucheimer Landwirt Helmar Rawolle fordert nach wie vor eine offene Debatte: "Hinter den Pappelfällungen steckt das Problem Steinadler, der sich in den vergangenen Jahren um das Fünffache vermehrt hat. Er gehört zu den Trappenfeinden wie beispielsweise Fuchs oder Wolf."

Interessant ist, dass es nicht wirklich seriöse Zahlen des Trappenbestands im Fiener gibt. Von 12 bis 15 Exemplaren war am Mittwoch die Rede. Neuerdings sollen jetzt auch zwei Hähne dabei sein. Rawolle: "Es gibt bessere Möglichkeiten des Trappenschutzes als dieses sinnlose Bäumefällen."

Die Kritik des Genthiner Stadtratmitglieds Karl-Heinz Steinel geht in eine andere Richtung: "Obwohl Genthiner Stadtverwaltung und Bürgermeister nicht nur Bescheid wussten, sondern involviert waren, hat es niemand für nötig gehalten, den Stadtrat zu informieren. Gleiches gilt für den Landkreis im Bezug auf den Kreistag."

"Warum werden nicht auch die Jäger befragt"

Ähnliches fragt Rawolle: "Welchen Einfluss hatte der Landkreis gegenüber dem Landesverwaltungsamt, das dafür Fördermittel ausgegeben hatte?" Antworten darauf gab es auf dem Storchenhof keine. Jedoch erklärte Klaus Rehda: "Wir vertreten die Meinung, dass die Pappeln dort nicht hingehören, dass sie die Trappen tatsächlich stören." Rehda wohnt in Schweinitz und ist seit Dezember 2008 Präsident des Landesamtes für Umweltschutz in Halle.

Der Landkreis nahm zu verschiedenen Vorwürfen keine Stellung. Vorstand Girke sprach jedoch über die bisher 240 Bäume, die "nicht besonders geschickt gefällt worden sind".

"Die Verantwortlichen für diesen Frevel an der Natur zur Rechenschaft zu ziehen", hatte die CDU-Fraktion vor einigen Wochen im Genthiner Stadtrat gefordert. Was daraus geworden ist, klingt für die Kritiker mehr als ernüchternd: Dieser Beschluss ist in den Umweltausschuss verwiesen worden, dort aber auf der Tagesordnung nicht aufgetaucht. Genthins CDU-Ortsvorsitzender Klaus Voth sagte auf Volksstimme-Nachfrage: "Das werden wir uns so nicht gefallen lassen. Wir halten diese Forderungen natürlich aufrecht. Dazu zählt auch das unwiderrufliche Ende der Fällungen und schnellstmögliche Ersatzpflanzungen."

Dazu meint sein Stadtratskollege Karl-Heinz Steinel: "Ich traue in diesem Zusammenhang niemanden mehr. Die gewählten Volksvertreter sind bei diesem Thema schon viel zu oft belogen worden." Eine andere Forderung wiederholte Wolf Lützow am Mittwoch in Loburg: "Warum wird der Naturschutz-Verband, also die Jäger, bei diesem Thema nicht ins Boot geholt?" Lützow ist Vorsitzender der Tucheimer Jägerschaft. "Auf der anderen Seite sind es die Jagdpächter, die beispielsweise verendete Tiere beseitigen müssen. Wir wollen uns aber auch anderweitig zum Schutz der Umwelt einbringen."