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Themenkonferenz der "ZukunftsWerkStadt" beschäftigt sich mit neuen Wohn- und Betreuungsformen Wohnen in Gemeinschaft nach verschiedenen Rezepten

Von Klaus Baier 22.01.2013, 01:38

Neue Wohn- und Betreuungsformen haben im Mittelpunkt einer Themenkonferenz der Osterwiecker "ZukunftsWerkStadt" gestanden.

Osterwieck l Was neues Wohnen betrifft, ist Osterwieck schon in der Zukunft angekommen. Die städtische Wohnungsgesellschaft und das Halberstädter Diakonische Werk schufen im vorigen Jahr eine Begegnungsstätte eben unter dem Titel "neues wohnen".

Marita Krelle-Schmidt, die Chefin der Wohnungsgesellschaft, blickte auf die Situation im Osterwiecker Wohngebiet am Stadtrand zurück. Zu DDR-Zeiten war der Warberg für über 1000 Personen eine begehrte Wohngegend mit Kaufhalle und Gaststätte. Nach Schließung der beiden Einrichtungen und Wegzug vieler Bewohner in die mittlerweile sanierten Fachwerkhäuser der Altstadt standen immer mehr Wohnungen leer, und es gab auch keinen Treffpunkt mehr.

Deshalb wurde ein Wohnhaus zur Begegnungsstätte umgebaut. "Dafür haben wir die beiden unteren Wohnungen zusammengelegt, barrierefrei angelegt und komplett saniert. 120 000 Euro haben wir investiert, die Banken und viele Handwerksbetriebe haben finanziell geholfen." Und: "Mit der Diakonie Halberstadt haben wir einen passenden Partner gefunden, der diese Einrichtung nun betreibt."

Kein betreutes Wohnen, aber viel Hilfe

Katrin Weinert von der Diakonie zeigte Fotos ähnlicher Projekte im Harzkreis. Im Gegensatz zu den anderen Projekten, die meist einen Schwerpunkt haben (viele Jugendliche, Körperbehinderte oder Pflegebedürftige im Wohngebiet), sei die Bandbreite hier am Osterwiecker Warberg besonders groß.

Ziel sei es, möglichst viele Menschen daran zu beteiligen. "Wir sind allerdings hier kein betreutes Wohnen", betonte die Betriebswirtin. "Wir wollen nach dem sogenannten Bielefelder Modell eine Versorgungssicherheit für die Bewohner in den eigenen vier Wänden sicherstellen."

"Wegen der geringen Entfernungen im Quartier können wir alle Pflegebedürftigen zu Fuß erreichen", berichtete Weinert. In der Wohnküche der Begegnungsstätte könne gespielt, gebastelt, gekocht und gebacken werden. Hausaufgabenhilfe, Beratung, Betreuung und Hilfe für die Bürger ringsum soll geleistet werden. Angehörige, Nachbarn und ehrenamtliche Helfer sind stets willkommen. Die Leitung des Hauses hat Iris Schumann, die zuvor viele Jahre das diakonische Pflegeheim St. Stephanus in der Stadt geleitet hat. Ihr stehen Mitarbeiter aus dem Pflegedienst "neues wohnen" zur Verfügung sowie Kräfte der Freiwilligen-Agentur.

Leben im Einklang mit der Natur

Ein völlig anderes Konzept stellte Kariin Ottmar aus dem selbstversorgten Ökodorf Sieben Linden vor.

Schon 1989 saßen einige kreative Geister im 120 Kilometer von Osterwieck entfernten Poppau (Altmark) zusammen und dachten über ein besseres Leben im Einklang mit der Natur nach. Mit möglichst wenig Energie frei, gut und gesund zu leben, war ein Traum, den sie ab 1997 verwirklichen konnten. Heute leben in diesem Gemeinschaftsprojekt 100 Erwachsene und 45 Kinder in hölzernen Bauwagen sowie acht zum Teil selbst gebauten Strohballenhäusern, die mit extrem wenig Energie beim Bau und beim Wohnen auskommen.

Die Energie für Heizung und Warmwasser wird überwiegend aus Sonnenenergie oder Abfallholz aus dem 46 Hektar großen eigenen Wald gewonnen. 65 Prozent der elektrischen Energie erzeugen die Öko-Dörfler mit einer großen Solaranlage selbst. Wasserversorgung und Abwasserbehandlung, Energieversorgung und Wegebau, Forstwirtschaft und Gartenbau sind Aufgaben, die von einigen Mitbewohnern mit entsprechendem Beruf und gemeinschaftlicher Unterstützung bewältigt werden. Auch bei der Obst- und Gemüseernte und anderem mehr beteiligen sich die Bewohner, wie man es beispielsweise aus den Kibbutzim in Israel kennt, deren Idee so erklärt wird: Jeder gibt nach seinen Möglichkeiten und erhält gemäß seinen Bedürfnissen.

Die Bewohner sind Miteigentümer

Alle Bewohner sind Mitglieder der Siedlungsgenossenschaft und damit Miteigentümer von Wald, Feld, Garten und dem gesamten Dorf. Ein eigener (Wald-)Kindergarten auf dem Gelände, eine Freie Schule in der Nähe (24 Kilometer) sowie alle drei Schultypen im sechs Kilometer entfernten Beetzendorf bieten den Heranwachsenden gute Entwicklungschancen.

Das Gemeinschaftshaus in Sieben Linden mit Küche und einem Versammlungsraum ermöglicht wetterunabhängig die monatlichen Vollversammlungen, bei denen Entscheidungen von allen Bewohnern mit zwei Drittel Mehrheit getroffen werden.

Generationen leben in der Gemeinschaft

Um das Leben fair zu organisieren, gibt es in Sieben Linden fünf gewählte Räte, einige Moderatoren und diverse Kleingruppen. Singles mit und ohne Kinder, Ehepaare, Familien und Wohngemeinschaften bis 15 Personen, von einem bis 74 Jahren, leben in dieser Gemeinschaft.

Für Interessenten werden Seminare zu Umwelttechniken, ökologischem Haus- und Ackerbau, gesunder Ernährung, Musik-Theater-Tanz, Erziehung sowie zu sozialen und umweltpolitischen Themen angeboten. Für Einzelpersonen, Schulklassen oder Gruppen ist ein Probewohnen möglich.

Weitere Informationen über das Ökodorf gibt es im Internet unter www.siebenlinden.de.