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Gastronom kämpft um Schadensersatz Marathonlauf mit einigen Possen

Vor dem Landgericht Magdeburg wird weiter um Schadensersatz für einen Wirt im Bodetal gerungen. Der Streit entwickelt sich mehr und mehr zur Posse.

Von Dennis Lotzmann 04.06.2015, 03:17

Thale/Magdeburg l Jörg Bauer ist notgedrungen zum Marathonläufer geworden. Nicht irgendwo auf der 42-Kilometer-Distanz und mit sportlichem Einsatz, sondern als Dauerläufer in den Mühlen der Justiz. Der 58 Jahre alte Gastwirt, der im Bodetal bei Thale das Traditionshaus "Königsruhe" betreibt, muss weiter Zeit investieren und Anwälte bemühen, um finanzielle Schäden ersetzt zu bekommen. Drei Jahre nach dem vom Land veranlassten Entzug der Gewerbegenehmigung im Sommer 2012 rückt für den Marathonläufer jedoch die Ziellinie näher.

Stadt Thale verklagt

Wie ein Sprecher des Landgerichts Magdeburg bestätigt hat, stehen die Zeichen gegenwärtig auf Entschädigung. Der Streit selbst, bei dem Bauer rund 120 000 Euro für erlittene Umsatzverluste geltend macht, hat reichlich Stoff, um als juristische Posse in die Analen einzugehen. Nicht zuletzt wegen der Behörden, die sich den Platz auf der Beklagten-Bank teilen müssen. Neben der von Bauer verklagten Stadt Thale sitzen auch die Kreisverwaltung Harz sowie das Land vor dem Kadi.

Was kompliziert klingt, ist in der Realität leicht erklärbar. Nachdem in der Vergangenheit immer mal wieder Steine und Geröll ins Bodetal abgegangen waren, wurden zunächst Gutachter bemüht, um die Frage der Hangsicherung sachkundig zu beantworten. In diese Diskussion platzte im Sommer 2012 ein weiterer Steinschlag, der unweit der "Königsruhe" niederging.

Damit bekam die Debatte neuen Zündstoff und manch einer wegen der Verkehrssicherungspflicht - der Hang gehört bislang dem Land - offenbar kalte Füße. So gab es im Sommer 2012 Druck auf die Stadt Thale, Gastronom Bauer vorsorglich die Wirtschaft zu schließen. Die Stadt sah dafür jedoch keinen Grund, wie Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) immer wieder betont hat. Der Jurist bot vorgesetzten Behörden die Stirn und provozierte damit eine Ersatzvornahme. Auf Geheiß des Landes entzog die Kreisverwaltung anstelle der Stadt Thale Bauer den Gewerbeschein.

Entschädigung für entgangenen Umsatz

Bis November 2012 - da waren Hänge und Felsen über der "Königsruhe" gesichert - war es Essig mit Gästebewirtung. "Mir entging viel Umsatz, ich musste mich notgedrungen von Mitarbeitern trennen und meine eiserne Altersvorsorge plündern", berichtet Bauer.

Ungemach, für das er nun besagte Entschädigung fordert. Und für die die Magdeburger Richter durchaus Berechtigung sehen. Wohl auch, weil der Entzug der Gewerbegenehmigung bei genauerer Betrachtung einige Fragen aufwirft: "Ich durfte zwar keine Gäste mehr bewirten, aber selbst noch in der Königsruhe leben. Die Bergwacht durfte ihr Domizil auf meinem Grundstück ebenfalls weiter nutzen. Und Wanderer konnten bei mir entlanggehen, aber ich durfte sie nicht versorgen", berichtet Bauer kopfschüttelnd. All das passe doch nicht zusammen.

Gleichwohl bleibt offen, wie der Streit um die 120 000 Euro letztlich ausgeht. Die Gegenseite versucht, den Kläger mit Argumenten zu schlagen. Manche davon lesen sich für Bauer höchst merkwürdig: So muss er nun zunächst darlegen, dass er damals gegen den Entzug der Gewerbegenehmigung rechtlich vorgegangen ist. "Kann ich, wir haben sofort Widerspruch eingelegt." Zudem werde ihm vorgehalten, seine Mitarbeiter damals nicht allesamt sofort entlassen zu haben, um Personalkosten zu senken. "Wer weiß, wie schwierig es heute in der Gastronomie ist Personal zu finden, wird verstehen, das ich nicht sofort allen gekündigt habe", stellt er klar.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Bodetal-Wanderweg, der Ausflügler zur "Königsruhe" führt. Der war in den besagten Monaten ebenfalls dicht. Hätte Herr Bauer da überhaupt Umsätze wie in den Vorjahren erwirtschaften können, argwöhnen die Beklagten. "Hätte ich, weil es ja den Ausweich-Wanderweg auf der anderen Bodeseite gab", kontert er.

Es dürfte spannend bleiben vor der Zivilkammer des Landgerichtes. Und später womöglich auch in der nächsten Instanz, befürchtet Jörg Bauer. Mit einem baldigen Finale des juristischen Marathonlaufs rechnet Jörg Bauer nicht.