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Historiker Kooger zeigt französischen Gästen Ausstellung über ehemaliges Arbeitslager in Beendorf KZ-Opfer besuchen die Orte des Schreckens

Von Anett Roisch 22.05.2012, 05:18

Eine französische Delegation "Amicale de Neuengamme" hat das Außenlager des KZ Neuengamme in Beendorf besucht. Ehemalige Deportierte erinnerten sich an die Orte des Schrecken, besuchten die Ausstellung in der Schule und legten zur Erinnerung an die NS-Opfer Blumen nieder.

Beendorf l "Es ist natürlich für uns ein sehr großes Erlebnis, wieder an die Orte des Schreckens zurück zu kehren", erklärten René Chantrel und Jean Mèvel, zwei der vier ehemaligen Häftlinge, die mit weiteren Landsleuten am Sonnabendmorgen mit dem Bus in Beendorf ankamen. Chantrel wurde damals wegen seiner Mitgliedschaft in einer Widerstandsgruppe zunächst in Frankreich inhaftiert und gelangte über mehrere Stationen ins KZ Ahlem. Der 87-jährige Franzose, der in der Bretagne lebt, ist einer der Überlebenden des KZ Neuengamme (Hamburg).

40 Personen zählte die Gruppe der "Amicale de Neuengamme", die zum ersten Mal das ehemalige KZ-Außenlager in Beendorf besuchte. Die Orte der Deportation zu sehen, wo viele der Häftlinge ihr Leben ließen, sei für die Überlebenden ein bewegender Schritt, erklärte Jean Mèvel, der 15 Jahre jung war, als er 1944 nach Deutschland deportiert wurde.

Seit 1948 organisiert die Vereinigung "Amicale Internationale de Neuengamme" für Überlebende und Angehörige französischer NS-Opfer auf den Spuren der Deportationen Reisen nach Deutschland. Die Reisen führen meist über das Hauptlager Neuengamme zu den verschiedenen Außenlagern, von denen es 87 gab.

Zur Begrüßung sprach Beendorfs Bürgermeister Jörn Schenke (SPD) zu den französischen Gästen, zu denen Janine Grassin, die Präsidentin der französischen Sektion der "Amicale de Neuengamme", Robert Pincon, Präsident der "Internationalen Amicale de Neuengamme", vier ehemalige KZ-Häftlinge und einige Familienangehörige der NS-Opfer gehörten. "Ich möchte ganz besonders die Herrschaften willkommen heißen, die die schlimme Zeit in einem KZ verbringen mussten. Ich verneige mich vor ihrer Lebensleistung und vor ihrem Alter", sagte der Bürgermeister und ergänzte: "Ich wünsche mir, dass wir das, was damals geschehen ist, nicht vergessen und dass wir solche Kontakte weiter pflegen."

Historiker Dr. Björn Kooger führte die Besucher durch die Ausstellung im Keller des heutigen Grundschulhauses. Kooger war 1994/95 für die Gemeinde Beendorf tätig und arbeitete die Geschichte des KZ-Außenlagers Beendorf auf. 1996 hatten Kooger und Rudi Wieland, der ehemalige Schulleiter, die Ausstellung eingerichtet und eröffnet.

"Das Außenlager des KZ Neuengamme in Beendorf wurde im März 1944 für die Männer und im August des gleichen Jahres für die Frauen eingerichtet", erzählte der Historiker. Die Männer wurden zum Ausbau unterirdischer Hallen der Luftwaffenproduktion in zwei benachbarten Salzbergwerken eingesetzt. Die Frauen arbeiteten in der Produktion. Dabei handelte es sich um die Schächte in Beendorf und in Morsleben. "Es wurden hauptsächlich der Autopilot der sogenannten V1 - Vergeltungswaffe 1 - gefertigt", berichtete Kooger und beschrieb: "Im Lager arbeiteten durchschnittlich 750 Männer und 2200 Frauen aus ganz Europa."

Am 9. und 10. April 1945 erfolgte die Räumung des Außenlagers: Männer wurden in Güterwaggons verladen und über Magdeburg, Stendal und Wittenberge in das Auffanglager Wöbbelin gebracht. Die Frauen wurden nach Hamburg transportiert. Die Überlebenden wurden von US-amerikanische Truppen befreit.

Im Gedenken an jene Männer und Frauen, die in Beendorf ihr Leben ließen, legten die Gäste ein Blumengebinde auf dem Beendorfer Friedhof nieder. Janine Grassin bedankte sich für die interessante Führung und bei der Beendorferin Heidemarie Friedrichs, die die Gräber der Verstorbenen pflegt. Danach reisten die Franzosen zur Isenschnibber Feldscheune. Die Mahn- und Gedenkstätte bei Gardelegen erinnert an die Ermordung von mehr als 1000 KZ-Häftlingen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs.