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A14: Anwohner und Landwirte beklagen fehlenden Lärmschutz und Bodeneingriffe

12.11.2012, 17:30

Die Pläne für den A-14-Abschnitt Dahlenwarsleben-Wolmirstedt sorgen weiter für Kritik bei Anwohnern und Landwirten. Bei den jüngsten Eröterungsterminen des Landesverwaltungsamtes in Wolmirstedt wurden vor allem fehlender Lärmschutz und Eingriffe in den Bördeboden kritisiert.

LandkreisBörde l Während bei Colbitz die Bauarbeiten für den Neubau der Nordverlängerung der Bundesautobahn (BAB) 14 sichtbar vorangehen, gibt es für den südlichsten Abschnitt noch immer keine Planungssicherheit. Die neue, elf Kilometer lange Trasse zwischen Dahlenwarsleben und Wolmirstedt gilt als besonders problematisch. Mehr als 580 schriftliche Einwendungen hatte es zu dem im Februar 2011 eingeleiteten Planfeststellungsverfahren gegeben. Das Landesverwaltungsamt als zuständige Behörde setzte deshalb für die kürzlich stattgefundene Erörterung im Katharinensaal in Wolmirstedt gleich vier Termine an.

Am ersten Tag wurden die Stellungnahmen der Behörden, Ämter und Träger öffentlicher Belange erörtert. Zwei Tage hatte man für private Einwender, landwirtschaftliche Betriebe und Jagdgenossenschaften, einen Tag für die anerkannten Naturschutzvereine eingeplant. Zwar seien mit etwa 90 Personen deutlich weniger als erwartet zu den Aussprachen erschienen, wie das Landesverwaltungsamt mitteilt, die Diskussion jedoch wird als "äußerst intensiv" beschrieben.

Schwerpunkte der Erörterung waren zum einen die Trassenführung mit der Alternativlösung des Ausbaus der bereits vorhandenen Bundesstraße 189 sowie die Kreuzung des Mittellandkanals mittels Untertunnelung statt eines Brückenbauwerkes. Darüber hinaus wurden die immissionsschutzrechtlichen Belange, insbesondere die Notwendigkeit und Wirksamkeit von Lärmschutzmaßnahmen in der Nähe von Ortschaften diskutiert.

Stark kritisiert von den Agrarbetrieben wurde erneut die Beeinträchtigung des landwirtschaftlichen Bodens. Erwartungsgemäß "sehr umfassend und kontrovers" wurden naturschutzrechtliche Fragen erörtert.

Entscheidungen zu den im Ergebnis des Erörterungstermins offengebliebenen gegensätzlichen Positionen sind aber erst im Laufe des nächsten Jahres zu erwarten. Dann legt das Verwaltungsamt den Planfeststellungsbeschluss vor, nach dem dann die BAB zwischen Dahlenwarsleben und Wolmirstedt gebaut werden soll.

Für Helga Steinig, Ortsbürgermeisterin von Mose, war die ganze Veranstaltung eine "Farce". Dass weniger Leute zur Anhörung gekommen sind, sei nicht verwunderlich. "Viele Termine waren an den Vormittagen anberaumt. Wie kann man annehmen, dass da alle Zeit haben?" Viel mehr aber ärgert sie sich darüber, dass die Forderungen nach Lärmschutz am westlichen und nördlichen Ortsrand offensichtlich nicht berücksichtigt werden. "Es wird gebetsmühlenartig auf die Gesetzlichkeiten verwiesen, die bei einer Entfernung von über 500 Metern wie in unserem Fall eine solche Vorsorge nicht zulassen. Die spezifischen Begebenheiten vor Ort spielen keine Rolle. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit."

Helga Steinig, die mit ihrer Familie am Ortsrand wohnt und also selbst betroffen ist, nimmt kein Blatt vor den Mund. "Das Bundes-Immissionsschutzgesetz gehört dringend überarbeitet. Beispielsweise werden danach Lärmquellen einzeln bewertet und nicht gebündelt. Mose hat jetzt den Verkehrslärm von der B189, die mitten durch den Ort führt, und würde durch die A 14 zusätzlich von West und Nord beschallt. Das muss doch zusammengerechnet werden. Lärm kann man nicht teilen."

Hinzu kommt noch, dass die B189 über die Autobahn geführt wird und Abfahrten neu gebaut werden - weitere potentielle Lärmquellen. Und - auch dazu großes Kopfschütteln der Betroffenen aus Mose - es bleibt unberücksichtigt, dass der Wind in Mose meist aus West und Nord-West weht. Zugrunde gelegt aber wird die durchschnittliche Windrichtung für ganz Sachsen-Anhalt. "Das entspricht aber nicht der Situation vor Ort", so Helga Steinig. Außerdem wird durch Schwerlastverkehr eine Zunahme des Schadstoffausstoßes erwartet.

All diese Befürchtungen sollen jetzt in einem Brief an den Verkehrsminister des Landes aufgelistet werden. Die Hoffnung, dass der problembehaftete Abschnitt überhaupt nicht gebaut und dafür die vierspurige B189 bis Wolmirstedt genutzt wird, hat die Ortsbürgermeisterin nicht. Sie ist überzeugt, dass nach Fertigstellung der Trasse bei Colbitz sich der Verkehr bis Wolmirstedt staut. "Das wird für das Land ein guter Grund sein, schnell mit dem Lückenschluss anzufangen."

"Wenn die Trasse gebaut wird, bleibt mir nichts anderes übrig: Ich muss mein Haus verkaufen und wegziehen."

Joachim Stilke

Ähnlich enttäuscht haben auch viele Samsweger die Anhörung verlassen. Nur ein Teil der Häuser entlang der neuen Trasse - etwa 200 Meter entfernt - bekommt Lärmschutz. Die Gebäude nach Norden bleiben trotz vielstimmigen Forderungen unberücksichtigt. Hier entspricht die Entfernung nicht mehr den Richtlinien für Lärmschutz. So wie in Mose hatte sich auch in Samswegen eine Bürgerinitiative gebildet. Einer der Sprecher ist Joachim Stilke. Er erinnert daran, dass seinerzeit über 800 Unterschriften gegen das Bauvorhaben gesammelt wurden und man dafür gesorgt habe, dass möglichst viele Betroffene Widerspruch eingelegt haben.

Bei einer Informationsveranstaltung mit mehr als 200 Samswegern hatten Oliver Wendenkampf vom BUND und Holger Stahlknecht Unterstützung zugesagt. Der heutige Innenminister des Landes hatte sich zwar für den Bau der Nordverlängerung ausgesprochen, aber betont, dass er sich für die Untertunnelung und ausreichend Lärmschutz stark machen werde. "Die Erörterung hat deutlich gemacht, dass wir trotzdem schlechte Karten haben. Der vorgesehene Lärmschutzwall wird nicht ausreichen", ist Stilke überzeugt. Der Angestellte bei der Bundeswehr hat einen Gehörschaden, der dazu führt, dass er Lärm anders, intensiver wahrnimmt. "Wenn die Trasse gebaut wird, bleibt mir nichts anderes übrig: Ich muss mein Haus verkaufen und wegziehen", blickt er düster in die Zukunft.

Sorgen machen sich auch viele Landwirte. In der Gemarkung zwischen Dahlenwarsleben und Klein Ammensleben beispielsweise sollen 1,2 Millionen Kubikmeter guter Bördeboden abgetragen werden, um in etwa sieben Meter Tiefe Sand und Kies für den Bau der Autobahn zu gewinnen.

Etwa fünf Jahre lang wäre dort keine Landwirtschaft mehr möglich. Für den Tunnel wäre der Bedarf deutlich geringer. Dies ist unter anderem für Dr. Wolfgang Lautenschläger ein Unding. Der Braunschweiger und sein Bruder sind Eigentümer von Grund und Boden in dem Gebiet und waren zur Anhörung in Wolmirstedt. "Das Schlimme ist, dass einige sich mit der Abspeisung durch Ausgleichsflächen zufrieden geben wollen. Meinem Bruder und mir geht es nicht um finanziellen Ausgleich, geschweige denn um Ausgleichsflächen. Es geht uns um den einmaligen Boden, den es weltweit nicht mehr gibt, der 2005 sogar zum ,Boden des Jahres\' gewählt wurde".

Der umstrittene Streckenabschnitt schließt sich an die seit 2003 fertig gestellte BAB 14 bei Dahlenwarsleben an. Für die elf Kilometer neue Straße bis Colbitz werden etwa 188 Hektar Fläche benötigt. Insgesamt sind in dem Bereich 16 Brückenbauwerke über Bahnanlagen, Straßen, Wege, Bäche und Flüsse, sowie Abfahrten zur Anbindung der Städte Haldensleben und Wolmirstedt und zwischen Samswegen und Mose ein Autobahnrastplatz geplant.

Obwohl bei der ersten Vorstellung des Vorhabens vor sieben Jahren durch den Kreistag sowie die betroffenen Gemeinden Beschlüsse gegen den Bau einer Brücke über den Mittellandkanal gefasst wurden, wurden die Pläne im Wesentlichen in der alten Fassung erörtert. Über den Mittellandkanal soll also tatsächlich die Brücke in einer Höhe von bis zu 23 Metern gebaut werden, die Trasse dann größtenteils auf Betonpfeilern oder Erdaufschüttungen führen. Zu erwarten ist, dass gegen das Bauvorhaben insgesamt vielfach Klagen eingereicht werden. Joachim Stilke aus Samswegen hat es bereits angekündigt.