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Hanna und Tobias Schonhardt arbeiteten und lebten für fünf Monate im westafrikanischen Ghana Plötzlich Klassenlehrer einer 6. Klasse

Von Dieter Haase 09.04.2015, 03:16

Auf fünf Monate missionarische Arbeit in einer Gemeinde im westafrikanischen Ghana - von Oktober 2014 bis Februar 2015 - blicken Hanna und Tobias Schonhardt zurück. Viele schöne Erlebnisse liegen hinter ihnen.

Schönhausen l Von diesen berichteten die beiden jungen Leute - sie ist 23, er 24 Jahre alt - vor kurzem bei einem Lichtbildervortrag, zu dem der Pfarrbereich Schönhausen eingeladen hatte, interessierten Zuhörern in der Schönhauser Winterkirche.

Hanna Schonhardt ist gebürtige Schönhauserin. Sie lebt mit ihrem Mann Tobias in Karlsruhe. Während er von Beruf Rettungsassistent ist, befindet sie sich noch im Studium. "Ich möchte später als Grundschullehrerin arbeiten", sagt sie.

Ein Teil ihres Studiums ist ein Pflichtauslandssemester. "Wir haben uns entschieden, dass wir das in Ghana machen." Mit diesen Worten erklärt Hanna Schonhardt zugleich, dass sie ihren Tobias unbedingt mit auf dieses Abenteuer nehmen wollte. Und er wollte auch. Eine internationale Missionsorganisation machte es dann möglich. Hanna und Tobias erhielten von ihr die Aufgabe, Muslime in Ghana in der Liebe Jesu zu dienen.

Am 2. Oktober 2014 ging es mit dem Flugzeug über London nach Accra und von dort weiter nach Tamale. Auf dem Landweg gelangte das junge Paar dann an seinen Einsatzort, die Gemeinde Gushegu.

Klassenlehrer einer 6. Klasse

Hanna Schonhardt ist hier in der Schule tätig, in der rund 250 Mädchen und Jungen - vom Kindergarten bis zur 6. Klasse - spielen und lernen. Auch ihr Mann darf sich als Lehrer ausprobieren. Der Unterricht wird in Ghana übrigens ausschließlich in englischer Sprache abgehalten. Gemeinsam geben sie jeden Morgen Lese-Nachhilfe für etwa 15 Kinder und freuen sich, dass sie schnelle Erfolge sehen und den Schülern helfen können. Da sie bei einigen Mädchen und Jungen jedoch auch große Leseschwierigkeiten feststellen, führen sie kurzerhand einen Sehtest mit ihnen durch. Dabei stellt sich heraus, dass bei einigen tatsächlich Sehbeschwerden vorhanden sind. "Nun hoffen wir, dass die Betroffenen bald eine Brille bekommen", so die beiden Missionare. Doch selbstverständlich ist das in Ghana nicht.

Völlig unerwartet wurden dann zwei Lehrer in andere Schulen versetzt. "Daraufhin wurden wir zu den neuen Klassenlehrern der 6. Klasse mit 17 Schülern ernannt. Da sie vor Weihnachten ihre großen Examen schreiben, bedeutete das für uns, herauszufinden, was die Kinder in den vergangenen Monaten gelernt hatten, anhand dieser Erkenntnisse die Klausuren zu konzipieren, diese zu korrigieren und anschließend die Zeugnisse zu schreiben, was eine sehr spannende und bereichernde Erfahrung für uns war. Es hat alles prima geklappt. Wir sind sehr dankbar für die Zeit als Lehrer, haben sie echt genossen", macht Hanna Schonhardt deutlich.

Sie gründet im Rahmen eines Projektes für ihr Studium auch einen Schulchor, der sehr gut besucht wird. Außerdem hilft sie dem Musiklehrer dabei, seinen Unterricht effektiver zu gestalten beziehungsweise abzuhalten. Bei den Feierlichkeiten zum fünfjährigen Bestehen der Schule hat der Chor dann auch seinen ersten großen Auftritt.

Rat und Tat im Kampf gegen Unterernährung

Tobias Schonhardt engagiert sich "nebenbei" in der Ernährungsberatung für Kinder, ein Ernährungszentrum wird ins Leben gerufen. Denn in etwas abgelegenen Dörfern haben die beiden Gäste aus Deutschland noch so einige unterernährte beziehungsweise mangelernährte Kinder ausfindig gemacht. Sie haben sie gemessen und gewogen und ihren Müttern empfohlen, doch einmal gemeinsam ins Ernährungszentrum zu kommen, um im aufklärenden Gespräch zusammen an der Abstellung dieses Problems zu arbeiten.

Erfreulich: Die Eltern sind sehr zugänglich, die Arbeit im Ernährungszentrum läuft sehr gut. Es ist schön, zu sehen, wie die Kinder sich in so kurzer Zeit entwickeln und aufblühen.

"Warum in dieser Gegend immer wieder Fälle von Mangel- bzw. Unterernährung auftreten, muss weiter erforscht werden. Momentan sind fünf von acht Kindern mit ihren Omas bei uns, da ihre Mütter gestorben sind. Wenn die Muttermilch fehlt, gibt es so gut wie keine qualitativ vergleichbare Nahrung für die Kleinkinder", hat das Paar aus Ghana in einem Brief nach Schönhausen geschrieben.

Um das Leben eines der Kinder mussten sie auch bangen. Die häufigste Todesursache ist ein Infekt aufgrund der enormen Immunschwäche, die eine Mangelernährung zwangsläufig mit sich bringt. "Wir hatten die kleine Mariam, zweieinhalb Jahre alt, bei uns im Ernährungszentrum aufgenommen. Mit Wassereinlagerungen in Händen und Beinen, blutigem Durchfall, wenig Appetit und einer münzgroßen Wunde am linken Handrücken aufgrund einer entzündeten Einstichstelle durch einen venösen Zugang", erfuhren die Zuhörer in der Schönhauser Winterkirche. Das kranke Mädchen wurde mit Antibiotika behandelt, mit richtigem Essen versorgt und täglich mit Wundsäuberung "gequält". Doch nichts besserte sich. Der nächste Schritt sollte eine lebensgefährliche Bluttransfusion sein. Die meisten mangelernährten Kinder überleben eine solche nicht. Aber es gibt noch Wunder. So nahm Mariam die Bluttransfusion gut an und ihr Zustand besserte sich schnell. "Danach sah man sie ab und zu lächeln und man konnte auch mit ihr spielen. Die Wunde heilte allerdings nur sehr langsam."

Sehr wohl gefühlt haben sich Hanna und Tobias Schonhardt aber auch in der muslimischen Gemeinde. "Das war ein weiterer großer Bereich, in den wir uns in den fünf Monaten einbrachten. Im Männer- und im Jugendkreis und auch in anderer Form. Wir haben viel gelernt und auch vieles weitergegeben." Der Glaube ist in Ghana untrennbarer Bestandteil des Lebens, so ziemlich alles hat hier einen geistlichen Hintergrund.

Ein Krokodil "besucht" die Schule

"Wir sind total begeistert von den unglaublich offenherzigen Menschen hier. Ob in der Gemeinde, auf der Straße oder bei der Arbeit: Wir haben viele tolle Leute kennengelernt und richtig ins Herz geschlossen." Die Menschen in den etwas abgelegenen Gebieten Ghanas sind glücklich mit dem, was sie haben, berichten Hanna und Tobias: mit Familie, Essen und Trinken, dem Dach über dem Kopf und ihrem Glauben. Alles andere sei Nebensache.

"Afrika ist immer wieder ein Abenteuer und wir waren mittendrin! So blieb Tobias von einer Malaria-Erkrankung nicht verschont. Nun ist Trockenzeit - das bedeutet keine Mücken mehr, dafür aber regelmäßige Buschbrände, letztens sogar bis zu zwei Meter vor unserem Haus. Und vor kurzem hat uns in der Schule auch mal ein Krokodil besucht", haben sie in einem Newsletter an die Kirchengemeinde in Schönhausen geschrieben. Mit diesem und anderen Rundbriefen hielten sie ihre Familie und ihre Kirchengemeinden während der Zeit ihres Aufenthaltes in Ghana regelmäßig auf dem Laufenden.