1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Havelberg
  6. >
  7. Nico Schulz: "Das Finanzausgleichsgesetz des Landes macht mich richtig wütend"

Ehemalige, Reservisten und Hinterbliebene diskutierten mit Spitzenkandidaten zur Landtagswahl Nico Schulz: "Das Finanzausgleichsgesetz des Landes macht mich richtig wütend"

Von Dieter Haase 08.03.2011, 05:29

Havelberg. Gute drei Stunden lang haben am Freitag Mitglieder der Kameradschaft Ehemalige/Reservisten/Hinterbliebene Havelberg-Klietz des Deutschen Bundeswehrverbandes in ihrem Vereinsraum im "Bella Vista" in Havelberg über aktuelle Fragen der Landes-, aber auch der Kommunal- und der Bundespolitik diskutiert. Als Gesprächspartner hatten sie sich dazu die jeweiligen Spitzenkandidaten der Parteien für den Wahlkreis Havelberg-Osterburg zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt eingeladen: Ralf Bergmann (SPD), Dr. Helga Paschke (Die Linke) und Nico Schulz (CDU). Außerdem hatte Nils Rosenthal (Bündnis 90/Die Grünen) aus dem Wahlkreis Genthin sein Kommen zugesagt, blieb aber leider der Veranstaltung fern. "Und trotz vieler Bemühungen ist es uns leider nicht gelungen, jemanden von der FDP hierher zu holen", informierte der Vorsitzende der Kameradschaft Peter Staschewski zu Beginn die Mitglieder und Gäste.

Aber auch ohne die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und FDP entwickelte sich eine lebhafte Diskussion im Vereinsraum, bei der die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen-Anhalt und im Landkreis Stendal, die Innere Sicherheit, Gesundheit und Soziales, der Umwelt- und Naturschutz und die Entwicklung des ländlichen Raumes als Themen vorgegeben waren.

Dass es in der dünn besiedelten Region um Havelberg besonders wichtig sei, die heimischen Betriebe zu unterstützen und zu fördern, führte Nico Schulz zum Punkt wirtschaftliche Entwicklung an. Auch der Tourismus sei hier ein ganz wichtiges wirtschaftliches Standbein, fand er. Darum freue es ihn besonders, dass demnächst nun auch die Lücke des Havelradweges zwischen Havelberg und Garz geschlossen werde. Nicht zuletzt sei die Entscheidung der Landesregierung, Havelberg in das Projekt der Bürgerarbeit aufzunehmen und damit 180 arbeitslose Frauen und Männer für drei Jahre in Lohn und Brot zu bringen, richtig gewesen.

Dr. Paschke und Ralf Bergmann bekräftigten in ihren Wortmeldungen die Forderungen ihrer Parteien nach einem Mindestlohn für Beschäftigte. Der SPD-Politiker führte zudem an, dass er die Verlängerung der A 14 und den Bau des sogenannten Hosenträgers (B 190 n) über Elbe und Havel bei Havelberg als absolute Notwendigkeit dafür sehe, die Infrastruktur der Region für potenzielle wirtschaftliche Investoren interessanter zu machen. "Von der Anbindung der Stadt Havelberg sind wir zeitlich aber wohl noch eine ganze Ecke entfernt", bemerkte er auf eine entsprechende Nachfrage von Klaus Heidrich.

Oberstleutnant a. D. Werner Grabolle richtete zu dem Thema die Bitte an die Landespolitiker, sich für den Erhalt der Bundeswehrstandorte einzusetzen. Denn die Wirtschaft in der Region stehe oder falle mit diesen Standorten. Aber auch an die Sorgen und Nöte der gedienten und dienenden Soldaten sollte in stärkerem Maße gedacht werden. Peter Staschewski hatte zu Beginn der Versammlung einige davon genannt: die unterschiedliche Besoldung in West und Ost oder für Berufssoldaten, die noch in der NVA gedient haben, ein nicht hinzunehmender Abzug in der Rente gegenüber ihren Kameraden aus dem Westen.

Mit großen Sorgen, so Werner Grabolle, verfolge er auch die Preisentwicklung an den Zapfsäulen der Tankstellen. "Wie lange können kleine mittelständische Unternehmen, die ständig Fahrzeuge im Einsatz haben, sich das noch leisten?", fragte er in die Runde.

Harsche Kritik erntete auch das Finanzausgleichsgesetz (FAG) des Landes, das den Oberzentren mehr Geld zugesteht als bisher, dem ländlichen Raum aber dafür Mittel streicht. "Es macht mich richtig wütend, wenn jetzt, nach Inkrafttreten des Gesetzes Spitzenpolitiker durchs Land ziehen, sich von Bürgermeistern erklären lassen, welche schlimmen Auswirkungen das Gesetz für die Kommunen hat, und dann darauf antworten, dass sie bei der Verabschiedung des FAG davon nichts gewusst hätten. Das ist in meinen Augen Verarschung der Leute", machte Nico Schulz deutlich. "Das FAG in seiner jetzigen Form ist so ungerecht, dass es immer wieder auf meine Ablehnung stoßen wird."

Die Personalstärke der Polizei im Land und die Situation der Hausärzteversorgung in ländlichen Gebieten nahm in der Diskussion ebenfalls großen Raum ein. "Was die Polizeipräsenz betrifft, ist sie bei uns gerade noch ausreichend", stellte Ralf Bergmann klar. Allerdings müsse in den nächsten Jahren deutlich an Nachwuchs nachgelegt werden, denn zahlreiche Beamte hätten dann die Altersgrenze erreicht und würden in den Ruhestand gehen, ergänzte Dr. Helga Paschke. An der Polizeischule in Aschersleben sollte deshalb ihrer Meinung nach die derzeitige Auslastung von 180 Plätzen schrittweise auf 210 Plätze angehoben werden.

Zur Ärztesituation äußerte sich Ralf Bergmann so: "Es gibt nicht zu wenig Ärzte in Deutschland. Sie sind nur falsch aufgeteilt." Die Rahmenbedingungen für junge Mediziner auf dem Land seien nicht gut, daran in erster Linie müsse die Politik arbeiten, um die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten zu verbessern.

Einmütig sprachen sich die drei Spitzenkandidaten - wie auch alle anderen Teilnehmer des Forums - gegen den Umgangston aus, den einige deutsche Spitzenpolitiker in der Bundestagsdebatte gegen den ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg an den Tag gelegt hatten. Einige Äußerungen seien erschreckend und "völlig unter Niveau" gewesen. Hoch gebildeten politischen Menschen sei ein solches Auftreten nicht würdig.