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Fremdenverkehrsverein bekam Strafverzeichnis der einstigen Jahrstedter Volksschule überreicht Wer nicht hören will, muss fühlen

Von Markus Schulze 12.11.2014, 02:10

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschten an der Jahrstedter Volksschule raue Sitten. Das lässt sich anhand eines unscheinbaren Büchleins ablesen, das an Inge Bohndieck vom Fremdenverkehrsverein übergeben worden ist. Darin sind die Vergehen und Strafen der Schüler aufgeführt.

Kunrau l "Da stehen viele interessante Sachen drin", meint Inge Bohndieck vom Fremdenverkehrsverein Jeetze-Ohre-Drömling und richtet ihren Blick auf eine Kladde mit blauem Umschlag. Dabei handelt es sich um das Strafverzeichnis der einstigen Jahrstedter Volksschule. Ein Lehrer namens Mohr hat darin fein säuberlich aufgelistet, wer, weshalb und in welcher Weise von ihm in den Jahren 1901 bis 1910 körperlich gezüchtigt wurde. "Die Jungen bekamen Stockschläge auf das Gesäß und die Mädchen auf die Hand", weiß Inge Bohndieck und findet das ziemlich ungerecht. So seien die Popos ja von Natur aus viel besser gegen die Hiebe geschützt als ein knöcherner Finger.

Doch sei es drum. Auf jeden Fall hat sich Inge Bohndieck in den vergangenen Wochen die Mühe gemacht, die in Sütterlin geschriebenen Einträge zu übersetzen. Diese sind bisweilen derart kurios, dass die Frau von der Geschäftsstelle des Fremdenverkehrsvereins aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Das Strafregister ist nämlich breit gefächert und reicht von "andauernder Faulheit" über "unanständigem Betragen" bis hin zu "Schwatzhaftigkeit". Für all das gab es vier Schläge; ebenso für "Trägheit beim Sprechen", "Lachen im Unterricht", "unsaubere Buchführung" oder "schlechtes Lesen". Sechs Schläge erhielt, wer sich gegenüber der eigenen Mutter ungebührlich benahm, für "Lug und Trug bei der schriftlichen Hausarbeit" oder wenn jemand einem anderen den Bleistift stibitzte. Offenbar konnte es Lehrer Mohr auch nicht leiden, wenn jemand biblische Geschichten nicht mit dem nötigen Fleiß erlernte oder stetig ungehorsam wahr. Denn auch dafür setzte es was mit dem Rohrstock.

"Wer nicht hören will, muss fühlen. So hieß es wohl damals", schätzt Inge Bohndieck ein. Diese Erfahrung musste auch ein gewisser Hermann Müller machen, der sich für die wiederholte Zerstörung eines Vogelnestes gar acht Schläge auf den Allerwertesten einhandelte. Jedoch scheinen manche Schüler/innen der einklassigen Jahrstedter Volksschule aus ihren Fehlern nicht klug geworden zu sein, da einige gleich mehrfach in der Liste auftauchen.

Der Strafenkatalog wurde dem Fremdenverkehrsverein übrigens von Helga Ladwig aus Steimke überlassen. Sie hatte das Schriftstück beim Aufräumen eines Dachbodens entdeckt. Die Kladde soll künftig in der Ausstellung einen Platz finden.