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Vortrag und Lesung zum Thema Wasser in der Salzwedeler Stadt- und Kreisbibliothek "Wir sind dabei, uns eine Wüste zu schaffen"

Von Oliver Becker 26.06.2015, 01:10

Wasser ist in Europa zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Dass es nicht überall auf der Welt so ist, darüber berichteten Petra Dobner und Gabriel Poblete Young am Mittwoch in der Salzwedeler Bibliothek.

Salzwedel l Wasser ist geruchs- und geschmacklos und da fast durchsichtig, auch recht farblos. Es ist der Grundstein des Lebens, aus dem sich unser Planet mit seiner Artenvielfalt entwickelte. Rund um das Thema Wasser ging es auch am Dienstagabend während des Themenabends des Jenny-Marx-Forums im Obergeschoß der Stadt- und Kreisbibliothek. Als Kooperationspartner steht den Salzwedelern die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt zur Seite.

Wasser ist für die Menschen in Zentraleuropa zu einem Stück Selbstverständlichkeit geworden. Ob zum Kochen, Baden, in der Landwirtschaft oder in der Industrie. Wasser ist jederzeit verfügbar und somit in Deutschland kein Thema. Dass dies nicht überall auf der Welt so ist, dürfte auch hier den meisten Menschen bewusst sein. Auch wenn unser Planet zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt ist, werden schon jetzt um die Trinkwasserressourcen Kriege geführt.

Gabriel Poblete Young beschäftigte sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit dem Thema Wasser und reiste dazu nach Lima. Die Stadt befindet sich an der trockenen Westflanke der Anden und die Wasserversorgung der 10-Millionen-Metropole erweist sich als immer problematischer. Über eine Million Bewohner sind, vorwiegend in den Randgebieten, nicht ans zentrale Wassernetz der peruanischen Hauptstadt angeschlossen. In seinem dreizehnminütigen Film zeigte er Menschen dieser Region und ließ sie zu Wort kommen. Es offenbaren sich Zustände, die für Mitteleuropäer schwer nachvollziehbar sind.

Drang zum Wassersparen bewirkt das Gegenteil

Auch Petra Dobner, die seit 2012 eine Professur für Systemanalyse und vergleichende Politikwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bekleidet, hat sich dem Thema Wasser gewidmet, allerdings aus deutscher Sicht. Dazu hatte sie ihr Buch "Quer zum Strom - Wasser eine knappe Ressource!?" mitgebracht, aus der sie Passagen vorlas. Sie stellte etwa die Frage in den Raum, ob der kollektive Wassersparzwang der Deutschen den Rest der Welt vor dem Verdursten retten wird. Ist es von Deutschland aus steuerbar, auf die Entwicklung hinsichtlich der Wasserversorgung der Bevölkerung Limas einzuwirken? Mit Sicherheit nicht.

Im Gegenteil, selbst im eigenen Land bewirke der Drang zum Wassersparen das Gegenteil, erläuterte sie. Durch den rapiden Wassersparkurs, sinke die Fließgeschwindigkeit des Trinkwassers in den Rohren, welche sich dadurch wiederum zu einem Lebensraum von Bakterien entwickeln könnten. So müssten die Wasserverbände gegensteuern und die Leitungen mit kostbarem Trinkwasser zusätzlich spülen.

Nicht die Superspültastenfunktion der Toiletten oder die Niedrigstwasser-Verbrauchsautomatik des Geschirrspülers bewirke einen Stopp der globalen Trinkwasserkatastrophe, sondern jeder Mensch durch sein Kaufverhalten. Müssen es im Winter Erdbeeren aus dem wasserarmen Spanien sein oder Kartoffeln von der staubtrockenen Mittelmeerinsel Zypern? Es sei schon eine verdrehte Welt, denn für Wasser aus Flaschen gebe der Deutsche ein Vielfaches gegenüber dem Leitungswasser aus, obwohl dieses das am sorgfältigsten geprüfte Lebensmittel ist.

Dobner lehnt Privatisierung von Wasserversorgern ab

Für Oliver Schaap aus Riebau befindet sich unsere Region bereits in einem Umbruch. "Wir sind bereits dabei, uns auch hier eine Wüste zu schaffen. Die Großeltern der heutigen Bauern haben ihre Felder drainagiert, um diese zu entwässern. Und deren Enkel bewässern die Felder nun Tag für Tag, um den Pflanzen ein Wachstum zu ermöglichen. Dabei werden Brunnen erschlossen, deren Wasseradern in einer Tiefe von 70 bis 80 Meter liegen." Für Oliver Schaap ein Sakrileg mit einschneidenden Folgen, denn diese Wasserschichten werden sich erst über Jahrtausende wieder erneuern. Ein Fakt dem auch Petra Dobner zustimmte.

Nadia Assebbad stammt ursprünglich aus Marokko und weiß, was Wasserknappheit bedeutet. Sie ist eine Verfechterin von autarken Kläranlagen und hat aus diesem Grund einen Pflanzenklärteich auf ihrem Grundstück im niedersächsischen Wendland errichtet. "Wasser muss dahin zurück, wo es her kommt", verteidigt sie ihr biologisches Entsorgungssystem. Diese Ansicht stieß allerdings nicht auf die ungeteilte Zustimmung von Petra Dobner.

Autarke Anlagen befürwortet sie, wo eine Anbindung an zentrale Systeme problematisch ist. Jeder für sich, das entspreche allerdings nicht dem Solidarprinzip und führe früher oder später zu einer Wasserpreiserhöhung, die dann die breite Masse treffen würde. Auch einer Privatisierung der Wasserver- und entsorger steht die habilitierte Politikwissenschaftlerin ablehnend gegenüber.