1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Die Drängwasserflut darf nicht als lokales Ereignis verstanden werden

Bürgermeister bittet Hydrogeologen um fachliche Hilfe Die Drängwasserflut darf nicht als lokales Ereignis verstanden werden

Von Thomas Linßner 01.02.2011, 05:36

Beunruhigt durch die Aussage des Landesbetriebes für Hochwasserschutz, dass das Grundwasser noch "30 bis 70 Zentimeter" steigen kann, bat Barbys Bürgermeister Jens Strube die Hydrogeologen Dr. Manfred Sichting und Holger Miethe um ihr fachliches Urteil.

Barby. "Wir sind mit der Einschätzung der Situation fachlich überfordert", gestand Bürgermeister Jens Strube, der "auf dem kurzen Dienstweg" die beiden Hydrogeologen ins Barbyer Rathaus eingeladen hatte. Dem war Strubes Anfrage bei Schönebecks Oberbürgermeister Haase voraus gegangen, weil die Stadt Barby im Grundwassermanagement mitarbeiten wollte. Doch dort hätte man ihm die kalte Schulter gezeigt.

"Die Arbeitsgruppe darf sich nicht abschotten"

Manfred Sichting mahnt mit Nachdruck, die "Dimension des Ganzen" zu betrachten. "Es muss durch Barby, Pömmelte, Gnadau und Wespen Einfluss genommen werden, dass die Arbeitsgruppe sich nicht lokal abschottet", betont er. Mit regionalen Maßnahmen würde möglicherweise eine kurzzeitige Entspannung erreicht, nicht aber langfristig die Engstelle für Drängwasserströme Schönebeck beseitigt.

Manfred Sichting holt weit aus, um das aktuelle Debakel zu begründen: Die Gräben wurden vor 200, 300 Jahren angelegt, als die Menschen "natürlich angepasst lebten". Im Laufe der Entwicklung veränderte sich die Siedlungsstruktur, stieg die Bevölkerungszahl. Die Anzahl der Gräben blieb davon unberührt, wurde zum Teil sogar verkleinert. Abschaltung der Wasserwerke und Versiegelung von Flächen kamen hinzu. Besonders letzteres sei laut Sichting problematisch. Bevor gepflastert und asphaltiert wurde, konnte das Wasser über Böden und Pflanzen verdunsten. 80 Prozent des Jahresniederschlages versickerten wegen versiegelter Böden heute im Grundwasser.

Die gezielte Ableitung, wie sie heute großflächig erfolge, erhöhe also zwangsläufig den Grundwasserstand. In einem Gutachten für das Landratsamt zur Kiesgewinnung teilte Sichting all diese Dinge bereits 1993 detailliert mit.

War das jetzige Szenario also absehbar? Manfred Sichting zögert mit der Anwort keinen Augenblick: "Ja."

Holger Miethe spricht von "Flaschenhälsen", wenn er die historische Siedlungsentwicklung erläutert. "Als die Leute gebaut haben, waren sie einen Grundwasserstand zwei Meter unter der Oberfläche gewöhnt." Demnach maß man Ver- engungen natürlicher Flutgräben wenig Bedeutung zu. "Diese Flaschenhälse muss man heute betrachten, wenn man das Grabensystem wieder auf macht." Ein solcher Engpass sei besonders Felgeleben. Das Wasser, das dort nicht weg kann, staut sich zurück bis Gnadau, Wespen, Barby und Tornitz.

"Die Pumpen sind sinnvoll, das ist keine Frage!"

Die Situation sei mit einer Schüssel vergleichbar: Die tiefste Stelle ist Schönebeck. Auf einer hydrogeologischen Karte wird das deutlich. Liegt die Innenstadt von Barby 52 Meter über Normalnull, sind es Gnadau bei 49, Felgeleben bei 47 Meter. Jedes Schulkind überblickt die Fließrichtung des Wassers und es braucht keine wissenschaftlichen Untersuchungen, wo es sich aufstaut. Zur Kontroverse, mit Pumpen das Hinterlandwasser in die Elbe zu befördern oder nicht, haben die beiden Hydrogeologen eine klare Meinung: Pumpen sind sinnvoll, das ist keine Frage!

Jens Strube will umgehend den Stadt- und Ortschaftsrat über das Gesprächsergebnis mit den beiden Hydrogeologen in Kenntnis setzen. "Wir werden alles dafür tun, dass die Drängwasserflut nicht als lokales Ereignis verstanden wird", ist Strubes resolutes Fazit.