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Kerstin Lorenz und Janet Schmidt kennen so manche heitere Episode Warum sich Männer beim Dessouskauf komisch benehmen

Von Thomas Linßner 19.11.2011, 05:21

Die Weihnachtszeit naht. Dann steigen auch die Umsätze in den Wäsche- und Miederwarengeschäften. Uns bewegt die Frage: Wie verhalten sich Männer beim Dessouskauf? Kerstin Lorenz und Janet Schmidt kennen da so manche Episode.

Calbe l Ein Mittvierziger steht in der Loewestraße vor einem Geschäft, das nüchtern "Schmidt und Lorenz" heißt. Ein bisschen verschämt, aber deutlich interessiert, lugt er durch das Schaufenster in Richtung eines Wäscheständers. Darauf hängen hauchdünne Dessous.

Der Mann observiert das Geschäft - es ist leer. Keine Kundinnen darin, die ihn vielleicht erheitert nach dem Motto mustern würden: "Aha! Der kauft Dessous!! Für seine Frau oder etwa für seine Freundin ...?" Die Luft ist rein, keine peinlichen Personen. Endlich fasst er sich ein Herz und drückt die Ladenklinke.

Inhaberin Kerstin Lorenz ist diese Szene nicht entgangen. Sie lässt sich jedoch nichts anmerken. Wer in einem solchen Laden arbeitet, muss erstens diskret und zweitens ein wenig Psychologe sein. Damit würdigt sie nicht zuletzt, dass der Mann zu ihr kam und nicht den Katalog bemühte.

Es hätte keiner großen Weissagung bedurft, dass der 45-Jährige sich wirklich für eine Garnitur BH und String-Tanga interessiert. Er weiß sogar die Größe: 75 B.

Und weil es auf Weihnachten zugeht, empfiehlt ihm Kerstin Lorenz die jahreszeitliche Trendfarbe rot-schwarz. Der Kunde wird zusehends lockerer, bezahlt und verlässt das Geschäft.

Ihn hat keiner gesehen.

"Der hat regelmäßig Damenunterwäsche gekauft, die er selbst trug"

Kerstin Lorenz und Janet Schmidt kommen sich bei solchen Geschichten ein bisschen wie Arzt, Jurist oder Gerichtsvollzieher vor, die der Schweigepflicht unterliegen. "Wir würden nie erzählen, wer bei uns was kauft", sagt Janet Schmidt. Das wäre geschäftsschädigend.

Wobei die Geschichte des eben beschriebenen Mittvierzigers amüsant, aber vollkommen harmlos ist.

"Wir hatten mal einen Stammkunden, der war aber nicht von hier", holt die Chefin zu einer weiteren Männer-Episode aus. Schon der zweite Teil des Satzes lässt aufhorchen: Nicht von hier? Jetzt kommt was Pikantes!

Und wirklich.

"Naja, der hat regelmäßig Damenunterwäsche gekauft, die er selbst trug", lässt sie die Katze aus dem Sack. Anfangs sei den Frauen "etwas unwohl" gewesen. Allzulange waren die Maschinenbau-Ingenieurin und Ökonomin damals noch nicht in dieser Branche, um mit solchen Kunden locker umgehen zu können. "Das hat sich aber ganz schnell gelegt. Er war ja auch ganz nett und unkompliziert", erinnert sich Janet Schmidt.

Die beiden verschwägerten Frauen Lorenz und Schmidt kennen sich sogar mit Bräuchen aus, die Unterwäsche betreffen. In Italien tragen Männer wie Frauen, die für das neue Jahr auf Liebesglück hoffen, rote Unterwäsche. Auch in Chile und Spanien wird versucht, so die Liebe im neuen Jahr zu beeinflussen. TV-Moderator Florian Silbereisen lebt seinen Aberglauben in diesem Sinne auf besondere Art und Weise aus. Der Star der Volksmusik hat einen delikaten Glücksbringer - eine rote Unterhose. Keine Fernseh-Moderation ohne sein bestes Stück.

Mit den Damen erleben die Verkäuferinnen ganz andere Geschichten. Die seien in Sachen Dessous-Kauf wesentlich gelassener, hätten aber zuweilen ein anderes "Problem". "Da war mal eine Kundin, die wollte beim BH-Kauf unbedingt die 80-B, obwohl sie mindestens eine 90 gebraucht hätte", wandert bei Janet Schmidt eine Augenbraue leicht nach oben. "Man muss ganz diplomatisch beraten, wenn sich jemand nicht eingestehen will, dass er dicker geworden ist."

Die ganz so heißen Sachen, à la Beate Uhse oder Orion, bieten Schmidt und Lorenz bewusst nicht an. Nicht, dass in Calbe kein Bedarf wäre. Aber der psychologische Faktor zähle. "Dann traut sich kaum noch jemand in den Laden, weil er Angst vor dem Gerede hat", so Schmidt.

Dass etwas schlichte Gemüter äußerst amüsante Storys produzieren können, bewies vor Jahren ein Dessous-Kunde mittleren Alters in Schönebeck. Er hatte einen Ouvert-Slip für seine Frau gekauft, ohne es zu wissen. Tags darauf stand er entrüstet vor dem Landentisch und grollte: "Was haben Sie mir\'n da verkauft?! Das Ding ist doch kaputt."

Vielleicht bietet die Volkshochschule mal einen Lehrgang zu diesem Thema an ...