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Braunbärenhaltung: Gespräch zwischen Vertretern der Stadt, Bärenparks, Tierärzten und BUND an der Bärenbolle Einigkeit: Jette soll auf dem Wartenberg ihren Lebensabend so angenehm wie möglich verbringen

Von Andreas Pinkert 23.10.2012, 03:17

Braunbärin Jette wird ihr restliches Leben in der "Bärenbolle" auf dem Wartenberg verbringen. Ihr Domizil bessert die Stadt aufgrund von Hinweisen von Bärenexperten und Naturschützern jetzt für den anstehenden Winterschlaf aus.

Calbe l Hauptakteurin Jette trottete gestern Vormittag durch das Freigelände auf dem herbstlich gefärbten Wartenberg, knabberte eine Möhre und verzog sich sogleich in ihren Unterschlupf, als die große Runde aus Vertretern der Stadt, Tierschützern, -ärzten, der Tierpflegerin sowie Kommunalpolitikern vor den Gitterstäben und unter Beobachtung von Kamerateams die Diskussion aufnahm.

"Sie hat für einen Braunbären einfach ein biblisches Alter erreicht", erinnerte Rüdiger Schmiedel. Der Geschäftsführer der Stiftung für Bären betonte, dass Braunbären in freier Wildbahn mit rund 20 Jahren lediglich halb so alt werden. Ein Indiz, dass es Jette unter tierpflegerischen Gesichtspunkten über die Jahre gut erging. Am betonierten Bärengehege samt seinem Auslauf mit stilisierter Riesenstahlzwiebel ("Bärenbolle") ließ der gelernte Tierpfleger dagegen kein gutes Haar: "Aus heutiger Sicht eine Fehlinvestition. Mit rund 200 Quadratmetern Gesamtfläche ist es viel zu klein."

Stadtrat Oskar-Heinz Werner, bei dem vor zehn Jahren die Fäden beim Bau des Anbaus zusammenliefen, entgegnete: "Wir hatten uns damals alle erforderlichen Genehmigungen und Beratungen eingeholt." Neben Lotto-Mitteln flossen zahlreiche Spenden von Bürgern und Unternehmen. "Wir wollten etwas für und nicht gegen den Bären erschaffen."

Ein Punkt, den Rüdiger Schmiedel anders sieht: "Ein größeres Gehege wäre damals wohl besser gewesen." Über eine Vergrößerung des Geheges müsse nun nicht mehr nachgedacht werden. Außerdem widersprach er entschieden den Aussagen der Stadt, Verantwortliche hätten vor Jahren schon Anfragen zu einer Umsiedlung in den Bärenpark gestellt. Doch Schmiedel wollte nicht Fehler der Vergangenheit aufrollen, vielmehr sollten Veränderungen in naher Zukunft zur Sprache kommen.

Bürgermeister Dieter Tischmeyer wehrte sich erneut gegen ein im Internet kursierendes Amateurvideo, das die Haltung Jettes sehr wirklichkeitsverzerrt darstelle. "Vom Auslauf ist dort nichts zu sehen. Und apathisch, wie im Video behauptet, liegt sie keinesfalls herum." In den vergangenen Wochen wurde das Rathaus per Email und Fax regelrecht mit Protestschreiben, auch aus dem europäischen Ausland und den USA, bombardiert. Darin wurden die Haltungsbedingungen angeprangert und eine sofortige Umsetzung gefordert (Volksstimme berichtete).

Ralf Wettengel, Leiter vom Bärenpark Worbis, unterstrich, dass angesichts des hohen Alters eine Umgewöhnung für die Bärin in einem neuen Umfeld mit unbekannten Artgenossen nicht ratsam wäre. "Sie würde es wohl nicht überleben", sagte Wettengel.

Im Ergebnis einigte man sich auf kurzfristige Maßnahmen noch vor dem bald einsetzenden Winterschlaf. "Dann darf der Bär nicht mehr gestört werden", so Schmiedel. Alles soll eng mit den beiden Tierpflegerinnen abgestimmt werden.

Dazu zählt der Bau einer Schlafstelle, die mit Holzbrettern gegen die nassen Betonwände abgedichtet wird und für eine bessere Belüftung sorgt. Zudem soll Jette bis zum Frühjahr einen fest angebrachten Scheuer-Baumstamm bekommen, um dann besser ihre Unterwolle abstreifen zu können. Nach dem Tod Jettes soll die Braunbärenhaltung in Calbe für immer enden.