1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Obdachlose kritisieren, dass sie künftig um 6 Uhr vor die Tür gesetzt werden sollen

Vier Betroffene schalten sich in die Diskussion um die Neuausschreibung ein Obdachlose kritisieren, dass sie künftig um 6 Uhr vor die Tür gesetzt werden sollen

Von René Kiel 30.10.2013, 02:10

In der Diskussion um die Neuausschreibung der Unterbringung der Obdachlosen in der Stadt Staßfurt meldeten die Betroffenen sich jetzt selbst zu Wort.

Staßfurt l In einem Brief an die Lokalredaktion der "Staßfurter Volksstimme" wiesen Michael Henniger, Norbert und Martin Peters sowie René Siemss den Vorwurf, dass Jugendliche, die zuletzt vermehrt aufgenommen wurden, dort bis 11.30 Uhr in den Betten liegen, zurück.

"Das entspricht nicht der Tatsache. Das sind Ausnahmen. Diese Ausnahmen sind Jugendliche, die in letzter Zeit in die Obdachlosenunterkunft eingewiesen wurden und die sich an keine Verhaltensregeln halten und sämtliche vom Personal übertragenen Aufgaben, wie Reinigungsarbeiten usw. verweigern. Viele der Jugendlichen lungern den ganzen Tag rum. Sie könnten zum einen dankbar sein, dass sie hier aufgenommen wurden, und zum anderen, dass die ihnen übertragenen Arbeiten von den älteren Bewohnern mit übernommen wurden", heißt es in dem Schreiben.

"Wir reinigen selbst unsere Zimmer, darüber hinaus auch die Gemeinschaftsräume. Im Außenbereich unseres Obdachlosenheimes werden in regelmäßigen Abständen von uns der Rasen gemäht, die Blumenrabatten gehackt und geharkt, die Straße gefegt, das Laub geharkt und der Müll rausgestellt. Im Winter wird Schnee geräumt usw.", teilten die Obdachlosen mit.

Die Männer möchten von den Mitgliedern des Ausschusses für Jugend, Senioren und Soziales sowie Finanzen und Rechnungsprüfung des Stadtrates, die bei der Beratung über den Ausschreibungstext für die Obdachlosenunterbringung ausschließlich für eine Nachtöffnung gestimmt hatten, gern wissen: Wo sollen wir uns tagsüber aufhalten? Etwa auf dem Platz hinter der "Schandmauer", wo wir verächtlichen Blicken ausgesetzt sind? Was ist, wenn wir krank werden? Nur zur Information: Ein Bewohner läuft auf Krücken. Er ist froh, dass er hier aufgenommen wurde.

"Momentan bin ich in einer Maßnahme vom Jobcenter. Ich arbeite im grünen Bereich. Muss ich bis 20 Uhr warten, um mich waschen zu können", will einer der Betroffenen wissen. "Was ist mit unseren Habseligkeiten? Müssen wir die tagsüber mitnehmen", fragte ein anderer.

"Nun gut, Obdachlose haben keine Lobby. Und wir haben große Probleme, im Leben klarzukommen. Aber deshalb muss man uns doch nicht den letzten Rest Lebensqualität nehmen, den wir noch haben", betonen die vier Männer.

"Muss ich bis 20 Uhr warten, um mich waschen zu können?"

Nicht einer von denen, die darüber entschieden hätten, "uns tagsüber rauszuschmeißen", habe jemals einen Fuß hier in das Obdachlosenheim gesetzt, eingeschlossen Oberbürgermeister René Zok (parteilos). "Das ist mehr als beschämend. Hier ist es sauber und ordentlich und wir fühlen uns wohl. Jederzeit kann sich einer von denen hier sehen lassen, aber das haben sie ja nicht nötig. Entscheidungen vom Schreibtisch aus sind leicht zu treffen. Wir fühlen uns hier in unserem Obdachlosenheim nicht als Menschen zweiter Klasse. Aber das muss ja aus Kostengründen geändert werden", heißt es in der Stellungnahme der Wohnungslosen.

Ziel der Kommune ist es, die Unterbringung der Obdachlosen in der Stadt als Pflichtaufgabe im Rahmen der Gefahrenabwehr sicher zu stellen. Der bestehende Vertrag mit dem Verein für Integration, Beschäftigung und Soziales (IBS) Eisleben, der das Objekt 2009 nach der Insolvenz des Initiativkreises für Arbeitsbeschaffung und Bildung Staßfurt übernommen hatte, läuft zum 31. Dezember dieses Jahres aus.

Den Berechnungen der Stadtverwaltung zufolge lassen sich durch die Vergabe dieser Leistung insgesamt 120000 Euro in vier Jahren sparen, als wenn die Stadt sich selbst um diese Aufgabe kümmern würde.