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Ausspähaffäre Wilder Westen an der Wipper

In der Gemeinde Saale-Wipper im Salzlandkreis werfen sich Bürgermeister gegenseitig vor, Daten ausgespäht zu haben.

Von Franziska Ellrich und Daniel Wrüske 31.07.2015, 16:54

Staßfurt/Güsten l Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, Ausspähen von Daten - die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft gegen Güstens Bürgermeister Helmut Zander, Gierslebens Bürgermeister Peter Rietsch und den ehemaligen Vorsitzenden des Verbandsgemeinderates Harald Lütkemeier wiegen schwer. Die Kommunalpolitiker sollen sich interne Verwaltungsdaten angeeignet haben.

Jetzt wurde entschieden, ob der Fall vor Gericht landet und eine Verhandlung eröffnet wird. Zu einer Anklage wird es allerdings nicht kommen. "Das Verfahren ist gegen die Zahlung eines Geldbetrages eingestellt worden", sagt Gerichtssprecher Christian Löffler. Alle Beteiligten - Gericht, Staatsanwaltschaft und die Beschuldigten - hätten diesem Abschluss zugestimmt. Zander, Rietsch und Lütkemeier haben jeweils 1000 Euro an die Staatskasse zu zahlen. Eine Begründung für diesen Abschluss, so Löffler, gebe es nicht. Er sei von Gesetzes wegen auch nicht vorgesehen.

Damit sind aus juristischer Sicht die Querelen in der Salzlandkreisgemeinde beendet. Doch zur Ruhe kommt die Lokalpolitik nicht. Die Gräben zwischen den Bürgermeistern der Mitgliedsorte und Verbandsgemeindebürgermeister Steffen Globig sind tief.

Die Ausspähaffäre ist ein Höhepunkt. Sie hat ihren Anfang im Jahr 2012 genommen. Damals behauptet Peter Rietsch, dass sich die Verwaltung Einzelverbindungsnachweise des Privathandys des einstigen Gierslebener Bürgermeisters Benno Rietsch, seines Bruders, schicken lassen hat. Die Politiker wittern den Skandal, die Geschichte nimmt Fahrt auf.

Am 8. August 2012 trifft sich der Verbandsgemeinderat. Steffen Globig fehlt krankheitsbedingt. 17 Räte des Gremiums beschließen, das E-Mail-Konto der Verwaltung zu sichern, inklusive dem des Verbandsgemeindebürgermeisters. Es ist alles vorbereitet. Eine Fachfirma und ein Rechtsanwalt warten vor dem Rathaus. Der damalige Verbandsgemeinderatsvorsitzende Harald Lütkemeier löst die "Datensicherung", wie sie von den Räten genannt wird, per Unterschrift unter den Beschlüssen aus. Einen Durchsuchungsbefehl gibt es nicht, Polizei und Staatsanwaltschaft sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeschaltet.

In der gleichen Sitzung leiten die Räte ein Disziplinarverfahren gegen Globig ein. Er bekommt Hausverbot und die Türschlösser seiner Dienstzimmer werden ausgetauscht. Per Anruf wird der Verwaltungschef informiert, dass er nicht mehr zur Arbeit kommen muss. Als "Wild-West-Methode" wird Globig das Vorgehen später bezeichnen.

Er wehrt sich über das Verwaltungsgericht und kann wenig später seine Tätigkeit wieder aufnehmen. Auch die Vorwürfe der Telefonüberwachung haben in der rechtlichen Bewertung keinen Bestand. Im September 2013 stellt die inzwischen gegen ihn ermittelnde Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. "Mangels hinreichenden Tatverdachts", begründet der Pressesprecher der Behörde, Frank Baumgarten.

Nun verklagt Globig die Ratsmitglieder Rietsch, Zander und Lütkemeier wegen Verleumdung und Ausspähung. Zwar liegen die gesicherten Daten im Rathaus, die Festplatte ist versiegelt und im Tresor. Aber es gibt einen fast 200-seitigen Ausdruck einzelner Mails. Die Beteiligten beschuldigen sich gegenseitig, das Pamphlet in den öffentlichen Umlauf gebracht zu haben. Der Inhalt ist brisant: Führungszeugnisse, Bürgeranfragen, Personalentscheidungen, Abmahnungen.

Vor einem Gericht wird das alles - so der aktuelle Beschluss - nicht aufgearbeitet werden. Peter Rietsch sagt im Volksstimme-Gespräch, dass er damit auch nicht rechnete. Die Justiz habe erkannt, dass die Vorwürfe haltlos seien. Dass er, Zander und Lütkemeier die 3000 Euro zahlen würden, habe "prozessökonomische Gründe". "Damit verbindet sich keinerlei Schuldeingeständnis", so Rietsch. Helmut Zander wollte sich aktuell nicht äußern. Steffen Globig kündigt dagegen an, dass sein Anwalt das Verfahren prüfen lassen wird.

Auch in einer anderen Sache dürften die Kommunalpolitiker noch einmal von Steffen Globig hören. Denn wie Gerichtssprecher Christian Löffler sagt, habe die Entscheidung gegen eine Anklage keine Auswirkungen auf zivilrechtliche Schadenssachen. Die Verleumdung steht noch im Raum.

Und der inzwischen neu gewählte Verbandsgemeindrat in Saale-Wipper wird zum Erben der Affäre. Denn aktuell gibt es Streit darüber, wer die zur Datensicherung eingesetzte Computerfirma und die Anwälte bezahlt. 20 000 Euro stehen zu Buche. Globig lehnt ab, dafür Geld der Verbandsgemeinde auszugeben. "Ich bezahle doch nicht das Fluchtauto für die Diebe."