1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Polizei musste 120 Todesfälle bearbeiten

45 ungeklärte Fälle gab es 2013 allein in den Krankenhäusern des Kreises und im Krematorium Polizei musste 120 Todesfälle bearbeiten

Von Bernd-Volker Brahms 25.03.2014, 02:18

Zur kriminalistischen Polizeiarbeit gehört auch die Ermittlung von Todesursachen bei ungeklärten Fällen und nicht natürlichem Ableben. Allerdings gelangen nur wenige Leichen zur Rechtsmedizin.

Stendal l Der Kriminaldienst der Stendaler Polizei musste sich im vergangenen Jahr mit 120 Todesfällen beschäftigen, bei denen es sich um eine unnatürliche Todesart oder einen nicht geklärten Todesfall handelte. Dies teilte die Polizei im Zusammenhang mit der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik mit (die Volksstimme berichtete).

"Eine ganze Reihe der Todesfallermittlungen resultiert aus dem Krematorium", sagte Sven Miehle, Leiter des Stendaler Kriminalitätsdienstes. Insgesamt 25 Fälle sind so bei der Polizei aufgelaufen, bei denen die Todesursache auch nach der zweiten Leichenschau durch einen Amtsarzt fraglich geblieben ist.

Amtsärztin sieht eine sehr hohe Dunkelziffer

Aus dem gesamten Bundesgebiet werden Leichen zur Einäscherung in die Hansestadt gebracht. Sven Miehle spricht in dem Zusammenhang von "Leichentourismus". Dies bringe der Polizei eine Menge Arbeit. Eine Auskunft über Einäscherungszahlen ist vom Krematorium in Stendal, das von einem Privatunternehmen betrieben wird, derzeit nicht zu erhalten.

Vor einer Einäscherung muss eine Leiche von Gesetz wegen ein zweites Mal begutachtet werden. "Die Amtsärzte gehen völlig vorbehaltlos an die Leichen ran", sagte Polizeisprecher Marco Neiß. Dieses Vorgehen habe zwei Seiten: Zum einen würden die Leichen von unabhängiger Seite angesehen, anderseits würden die begutachtenden Ärzte die Krankengeschichten oft nicht kennen. Im Resultat gebe es dann eine ganze Reihe ungeklärter Todesfälle, die dann in die Zuständigkeit der Polizei geraten. "Es gibt ein Phänomen, das es an Standorten mit Krematorien eine erhöhte Zahl an ungeklärten Todesfällen gibt", sagte Sven Miehle.

In derartigen Fällen dokumentiert die Kriminalpolizei durch Fotos und Beschreibungen sowie zusätzliche Unterlagen den Zustand der Leiche. Der Vorgang geht anschließend zur Staatanwaltschaft, sagt Marco Neiß. Vielfach werde die Leiche dann von dieser zur Verbrennung freigegeben. Wenn sich jedoch weiterreichende Fragen ergeben, werde die Rechtsmedizin eingeschaltet. In insgesamt 14 Fällen erfolgte 2013 eine Obduktion der Leiche durch die Rechtsmedizin.

Für Amtsärztin Dr. Iris Schubert vom Landkreis Stendal ist die Zahl von jährlich 25ungeklärten Fällen geradezu eine Lappalie. Bei sehr vielen Leichen im Krematorium, die von auswärts kommen, werde ohnehin die Freigabe von der auswärtigen Staatsanwaltschaft gleich mitgeliefert. Und außerdem: "Wenn die Freigabe erfolgt, heißt das ja noch lange nicht, dass die Todesursache wirklich geklärt ist", sagte Schubert. "Die meisten ungeklärten Fälle gibt es ohnehin bei den Erdbestattungen", sagte die Amtsärztin. Eine zweite Leichenschau ist bei Erdbestattungen nicht vorgeschrieben. Im Zweifelsfall kann die Leiche - oder im Jargon der Polizei: der Spurenträger - auch noch zu einem späteren Zeitpunkt exhumiert werden, um Aufschlüsse über eine Todesursache zu bekommen.

Neben dem Krematorium haben darüber hinaus auch die Krankenhäuser des Landkreises der Polizei einiges an Arbeit beschert. Insgesamt 20 ungeklärte Fälle sind aufgelaufen, davon laufen derzeit noch drei Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung durch medizinisches Fehlverhalten, wie Sven Miehle mitteilte.