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Manfred Haufe wurde vor 25 Jahren erster frei gewählter Stendaler Nachkriegsbürgermeister Ein Optimist im Chefsessel

Von Bernd-Volker Brahms 09.05.2015, 03:19

Die CDU ging 1990 bei der Stadtratswahl als Sieger hervor. Die Partei nominierte den Tierarzt Manfred Haufe zum Bürgermeister. Dieser wurde mit großer Mehrheit (63 von anwesenden 67 Stadräten gaben ihm seine Stimme) gewählt. Bereits zwei Jahre später wurde der neue Rathauschef zum Rücktritt gedrängt.

Stendal l Als die politische Wende 1989 kam, da sah der damals 59-jährige Tierarzt Manfred Haufe die Chance, seine berufliche Laufbahn als Kreistierarzt fortzusetzen. "Ich bewarb mich für diese Position beim Landkreis", erzählt Haufe heute mit einem Schmunzeln. Haufe hatte die Position zwischen 1964 und 1982 schon einmal bekleidet und war aufgrund der politischen Zwänge, die er in dieser Führungsposition hatte, freiwillig ausgeschieden und war wieder in die Praxis gegangenen, wie er es ausdrückt. Schon 1964 war er in die CDU eingetreten, um dem erwünschten Beitritt zur SED zu entgehen.

Statt einer Einladung zu einem Bewerbungsgespräch nahm ihn der im Landkreis führende CDU-Mann Lothar Riedinger, der spätere erste frei gewählte Landrat, zur Seite und versuchte ihn davon zu überzeugen, statt Kreistierarzt doch lieber Bürgermeister von Stendal zu werden.

1990 wollte er eigentlich Kreistierarzt werden

"Ich habe mich irgendwann überreden lassen, obwohl meine Frau strikt dagegen war", sagt Haufe. Mehr aus Pflichtbewusstsein als durch politischen Instinkt getragen, trat er an. "Es wollte ja auch sonst niemand anders machen." Er sei mit seinem Alter von fast 60Jahren bei der konstituierenden Stadtratssitzung am 5.Juni 1990 ja bereits älteren Semesters gewesen. Die stürmischen Wendemonate hatte er zugegebenermaßen im Hintergrund erlebt. "Ich habe die Leute vom Neuen Forum verstanden, aber ich hätte mich in der Zeit nie als Märtyrer gegeben", sagt Haufe. Das müsse er zugeben. Wenn man mit 20Jahren Revolutionär ist, dann sei das normal. Wenn man dies mit 60 Jahren nicht mehr ist, dann sei das genauso normal, sagt der rüstige, 84-jährige Rentner, der noch oft mit dem Fahrrad in Stendal unterwegs ist.

Bei seinem Amtsantritt hatte Manfred Haufe eine breite Rückendeckung im 70-köpfigen Stadtrat. Bei der Wahl am 6.Juni 1990 stimmten 63 der anwesenden Mitglieder aller Fraktionen für ihn. Es gab lediglich zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Als hauptamtliche Beigeordnete und gleichtzeitige Stellvertreter des Bürgermeisters wurden Heinz Zehmke (SPD) und Werner Schulze (Neues Forum) gewählt. Es sei "das Bemühen des Parlaments zu spüren, ohne Parteien-Hick-Hack arbeitsfähig zu werden", schrieb die Volksstimme tags darauf. Die allgemeine Harmonie an diesem Tag wurde durch eine Grußbotschaft aus der Partnerstadt Lemgo sowie durch eine vorgeschaltete Andacht in der Marienkirche durch Superintendent Bernhard Ebel unterstrichen.

Die Harmonie währte nicht lange und machte der Rathausspitze alsbald zu schaffen. "Ich habe mich im Rathaus auf meine Fachleute verlassen", sagt Haufe. Er habe sich ja nicht um alles persönlich kümmern können. Die Aufgaben seien immens gewesen. Er selbst habe ein starkes Interesse an der dringend notwendigen Innenstadtsanierung gehabt. "Da gab es viel Unterstützung aus Lemgo", lobt er noch heute. Was ihm gar nicht gelegen habe, sei die politische Arbeit im Stadtrat gewesen.

Von seinen eigenen Leuten in der CDU sei er gedrängt worden, das Gremium zu einem "kleinen Bundestag" zu machen. "Das wollte ich nicht, ich war ausschließlich an der Sacharbeit interessiert", sagt Haufe. "Letztlich bin ich darüber gestolpert." Möglicherweise habe er die heraufkommenden Probleme gar nicht wahrgenommen. "Ich bin ein Optimist", sagt er. Politisch sei er sicherlich naiv gewesen. Nach nur zwei Jahren Amtszeit gab er schließlich auf.

Man habe ihn unbedingt wieder loswerden wollen

Der Präsident der Stadtverordnetenversammlung, wie der Stadtrat seinerzeit noch hieß, Horst Langpap (CDU), fand beim Abschied lobende und zugleich kritische Worte: "Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie sich als Bürgermeister für alle verstanden wissen wollten, und dass Ihnen das Denken in Parteigrenzen nicht eben sonderlich sympathisch ist. Dies hat, ja dies musste zwangsläufig hier und da zu Irritationen führen."

Langpap sah es als ein Problem der Kommunalverfassung, dass der Bürgermeister hauptamtlich tätig und damit zwangsläufig Chef der Verwaltung sei. Unverholen hatte er dem scheidenden Amtsinhaber bescheinigt, die Verwaltung nicht führen zu können. Man habe die Variante überlegt, einen Stadtdirektor einzustellen und den Bürgermeister ehrenamtlich zu bestellen. Dafür habe zwischen den politischen Parteien kein Konsens gefunden werden können, sagte Langpap in seiner Abschiedsrede.

"Die wollten mich unbedingt loswerden, weil ich mich nicht nach ihren Wünschen richtete", sagt Haufe heute. "Es war menschlich nicht schön, was damals abgelaufen ist", sagt auch Werner Schulze, der als Stellvertreter immerhin noch die Zeit bis zur Stadtratsneuwahl 1994 durchhielt. Er habe mit Haufe stets gut zusammen gearbeitet. "Er hat mir immer Freiraum gegeben."