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"24 Stunden Stadtsee" / Teil 3: Von 14 bis 15 Uhr bei den Kartographen und Chemikern im Umweltlabor IHU Ein Faible für Schutt und Schlamm

Von Nora Knappe 04.07.2015, 03:05

Für die Serie "24 Stunden Stadtsee" hat die Volksstimme zu jeder Stunde des Tages, von 12 bis 12 Uhr, einen anderen Akteur des Stadtsee-Lebens besucht und bei seinem Tun um diese Uhrzeit begleitet. Heute: Von 14 bis 15 Uhr bei IHU Geologie und Analytik.

Stendal l "Wir arbeiten freitags übrigens immer noch um diese Zeit." Steffi Traufelder, kaufmännische Geschäftsführerin von IHU Geologie und Analytik, hat offenbar eine dementsprechende Frage erwartet - schließlich macht in anderen Einrichtungen ja freitags ab eins jeder seins. Bei IHU ist aber erst um 16 Uhr Feierabend.

Und das sieht man auch - es geht wuselig zu auf der gesamten vierten Etage der Dr.-Kurt-Schumacher-Straße 23, betriebsam, aber nicht hektisch. Das Ingenieurbüro und Umweltlabor ist der einzige nicht-medizinisch ausgerichtete Mieter in dem Gebäude.

Für eine Firma, die Aufträge aus dem gesamten Landkreis und darüber hinaus auch aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bearbeitet, ist es wohl relativ egal, wo sie ihren Sitz hat. Dass es Stendal-Stadtsee wurde, hat aber doch einen ganz einleuchtenden Grund, wie Steffi Traufelder erklärt: "Das Gebäude hier war einst die KKW-Poliklinik und hatte ein Labor. Und genau das war wichtig für IHU, wir brauchten ein Labor."

Karten über Schutzgebiete, Gewässer und Altlasten

Seit 1991 ist das Ingenieurbüro in der Dr.-Kurt-Schumacher-Straße ansässig. Neben dem Hauptsitz gibt es zwei Niederlassungen in Rathenow und bei Güstrow. 30 festangestellte Mitarbeiter gehören zur Belegschaft - sie sind Geologen, Hydrogeologen, Geographen, Kartographen, Chemiker, Physiker, Ökologen, Landschaftsarchitekten und Ingenieure. Die Vielfalt der Berufsbezeichnungen deutet schon auf ein ebenso vielfältiges Betätigungsfeld hin. Kurz gesagt, und so steht es im Firmenprospekt, ist IHU eine "anerkannte Untersuchungsstelle für Altlasten, Böden, Schlämme, Oberflächengewässer, Grund-, Trink- und Abwasser sowie Erd- und Grundbau".

Um diese Arbeiten begreifbarer zu machen, geht es zuerst zu Katrin Habendorf ins Büro. Abteilung Kartographie und Geodatenverarbeitung. Wer dabei allerdings die Assoziation an große Kartentische und Reißbretter im Kopf hat, kann die gleich wieder löschen. "Hier wird alles am Computer gemacht", sagt Habendorf, die seit Bestehen der Firma bei IHU arbeitet, also seit 1991.

An ihren zwei Bildschirmen ruft die Diplom-Kartographin Übersichten auf, an denen sie Altlasten-Kataster mit entsprechenden Sanierungsphasen erkennen kann, Gewässerkarten, Naturschutzgebiete und Hochwasserszenarien... "Ich führe die Daten zusammen, die auf den Laboruntersuchungen basieren, und werte sie aus. Die Ergebnisse werden in Tabellen und Karten umgesetzt. Ich finde ja, ein Diagramm sagt mehr als ein Text."

Probennahme draußen, Analyse im Labor

Ihre Aufgabe ist die neutrale Bewertung zum Beispiel von Fragen wie: Kann dort, wo es geplant ist, ein Deich errichtet werden, ist der Baugrund geeignet? Welche neuralgischen Punkte gibt es, wie viele Sandsäcke würden im Fall eines Extremhochwassers gebraucht? Gibt es in einem bestimmten Gebiet schützenswerte Arten? Wie wird die Landschaft beeinträchtigt, wenn an dieser oder jener Stelle Windkraftanlagen errichtet werden? Könnte man Altarme eines Flusses wieder anschließen? Wie sind die Grundwasserverhältnisse dort, wo gebaut werden soll?

"Ich fahre auch viel raus, um mir die Gegebenheiten vor Ort anzuschauen", sagt Katrin Habendorf. "Es ist eine vielseitige Arbeit, von Gewässerplanung über Altlastenuntersuchung und Bauleitplanung bis zu Windenergie und Solarplanung."

Geschäftsführerin Steffi Traufelder, die inzwischen ins Büro gekommen ist, findet es "interessant, wie sich hier alles verzahnt: Vorbetrachtung, Probennahme, Analytik, Kartenerstellen. Und alles aus einer Hand. Das ist natürlich auch für uns praktisch: Wir gehen einfach eine Tür weiter und dort ist der Kollege, der sich in einem anderen Fachgebiet auskennt." Und was das Ingenieurbüro selbst nicht leisten kann, weil zum Beispiel spezielle Geräte dafür nicht da sind, gibt es an Partner ab.

Betritt man allerdings die Laborräume von IHU, hat man nicht den Eindruck, als könnte hier irgendetwas nicht geleistet werden. Aber als Laie, für den Chemie immer nur ein unergründliches, mirakulöses Unterrichtsfach war, ist man wahrscheinlich ohnehin schnell beeindruckt von Gläsern und Röhrchen, die mit seltsamen Flüssigkeiten gefüllt sind, von Messgeräten, Trichtern und obskuren Gerätschaften. Auf einem Arbeitstisch wirkt die Anordnung aus vorwiegend gläsernem Zubehör wie in einer Cocktailbar - oder doch eher in einer Hexenküche...? Bei dem Gemisch, das durch Papierfilter gerade in Plasteflaschen träufelt, handelt es sich jedoch weder um Hochprozentiges noch um Zauberei, sondern um Bauschuttschlamm, der nun auf Schadstoffe untersucht wird.

Geräte arbeiten auch nachts weiter

Derweil ist Katrin Damitz damit beschäftigt, eine hellgelbe Flüssigkeit per Pipette in kleine Glaskolben abzufüllen. "Hier wird mit dem Fotometer die biologische Aktivität des Gewässers bestimmt, also auf Schad- und Nährstoffe untersucht", erläutert Benita Fischer, die hauptsächlich am Gas-Chromatographen im Raum nebenan arbeitet. Damit werden Boden- und Wasserproben auf flüchtige Bestandteile untersucht, um zu sehen, ob eine Schadstoffbelastung vorliegt.

Zum Schluss geht`s noch ins Erdgeschoss, wo IHU weitere Räume angemietet hat. Im Moment ist hier niemand, die Kollegen sind eben meist draußen. Und zum Teil macht sich die Arbeit hier tatsächlich von selbst: Auf Brettern in Backstuben-Regalen trocknen landwirtschaftliche Bodenproben. In einem anderen Raum stehen Rührer und Trichter und Analyse-Gerätschaften. Und wiederum einen Raum weiter werden bodenmechanische Untersuchungen gemacht, allerdings ist auch dieser Kollege gerade draußen unterwegs.

Einige der geheimnisvollen Apparate bei IHU laufen sogar ohne Beaufsichtigung. "Die Geräte sind sehr nett, sie arbeiten über Nacht für uns", sagt Steffi Traufelder und fügt noch bedauernd-lächelnd hinzu: "Ein Gerät, das alles kann, so wie im Fernsehen, haben wir aber leider nicht."

Nächste Folge: Am Dienstag, 7. Juli, sind wir von 15 bis 16 Uhr mit den Streetworkern unterwegs.