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Ingrid Genz machte sich vor 20 Jahren selbständig / Ihre Buchhandlung feiert am 12. März Geburtstag "Ich freue mich über jeden, der liest"

Von Nora Knappe 02.03.2011, 05:28

Vor 20 Jahren hat sich Ingrid Genz als Buchhändlerin selbständig gemacht. Ihr Laden in der Breiten Straße ist seither Anlaufpunkt für Menschen mit ganz unterschiedlichem Lesegeschmack. Auch von unruhigen Zeiten lässt sie sich nicht erschüttern, und in anderthalb Wochen wird das Jubiläum gefeiert.

Stendal. Reichlich durcheinander sieht es im Schaufenster der Buchhandlung Genz dieser Tage aus. Auf wildem Haufen liegen die Bücher, die sonst thematisch gebündelt vorgestellt werden – und noch dazu sind sie eingewickelt. Aber es soll keiner denken, die Buchhändler hätten plötzlich keine Lust mehr zum Dekorieren. Nein, es ist Teil des 20. Geburtstages des Ladens in der Breiten Straße.

Am Sonnabend, 12. März, soll er gefeiert werden, und zwar mit einem großen Buch-Preisangeln den ganzen Tag über. "Als Dankeschön für unsere Kunden, ohne die wir es gar nicht so lange geschafft hätten", sagt Ingrid Genz. Vor 20 Jahren ist sie von ihrer Stelle in der Winckelmann-Buchhandlung ein paar Hausnummern weiter gezogen und ist Chefin geworden.

Dabei wollte Ingrid Genz (54) eigentlich nie eine Buchhandlung leiten. Großes Herzklopfen habe sie gehabt, als sie diesen "Schritt nach vorn", wie sie sagt, doch getan hat. Sie übernahm einen Laden, in dem viele Jahre Kinderbücher im Volksbuchhandel verkauft worden waren, nachdem der letzte private Inhaber, Robert Vehse, gestorben war.

Mit zwei Mitarbeitern hat Ingrid Genz im März 1991 angefangen. Viel musste umgebaut und investiert werden, die mittleren und hinteren Räume, die heute mit Buchregalen bestückt sind, waren damals das Lager. Der Anfang war nur eine von vielen Phasen des Umbruchs und des Umdenkens. Die letzte Wirtschaftskrise steckt Ingrid Genz auch noch in den Knochen. Aber sie sei immer ein Mensch mit Bodenhaftung geblieben, habe versucht, keine Höhenflüge zu starten. "Man konnte sich nie sicher sein, ob es so gut läuft, dass man so lange bestehen würde", sagt sie, "aber mit dem Gedanken ans Hinschmeißen habe ich nie gespielt."

Computer statt dicker Kataloge

Heute gehören fünf Mitarbeiter zur Buchhandlung, die alle ihr eigenes Sortiment bearbeiten; dicke Kataloge haben Computern Platz gemacht, Bestellungen sind am nächsten Tag da; eine Statistik-Software gibt genau Auskunft, wovon wie viel verkauft wurde. Und aus dem in der Nachwendezeit ungezähmten Ansturm auf alles, was gute Unterhaltung versprach, ist ein differenziertes Leseverhalten geworden. "Wir sind schon ziemlich geübt darin, zu erkennen, was den Leuten gefallen könnte", sagt Ingrid Genz, der das Beraten und Verkaufen einfach Spaß macht. Charakteristisch für ihre Buchhandlung sei, dass sie so gut wie alles anbiete, vom Kreuzworträtsel über Krimis und Sachbücher bis zu den neuesten Romanen. "Ich freue mich über jeden, der liest, und biete daher auch alles an. Abgesehen von brutaler und brauner Literatur." Die Rückmeldung darüber, ob eine Leseempfehlung ein Treffer war, freut sie und ihre Mitarbeiter natürlich immer.

Die Zukunft ihrer Buchhandlung, in der an die 14 000 Bücher in den Regalen stehen, sieht Ingrid Genz gelassen. "Man darf sich nicht verrückt machen lassen, und die 20 Jahre haben gezeigt, dass man alles bewältigen kann." Dem elektronischen Buch räumt sie nur bedingt Chancen ein. "Wer wirklich gern liest, will doch den Gegenstand Buch in der Hand haben, oder?" Immerhin gibt es Erlebnisse, die sie da bestätigen. Wie die Episode einer Mutter, die im Buchladen sorgenvoll um Rat sucht, weil ihr Kind nicht lese. Mit einem Comic könne man da schon die Lust aufs Lesen wecken, ist Genz überzeugt. Und der Rest komme dann ganz von allein.

Auch wenn Ingrid Genz den ganzen Tag von Büchern umgeben ist – das Lesen am Abend muss sein. Wo sie das tut, möchte sie lieber für sich behalten, nur so viel: Es ist ein äußerst bequemer Platz, den sie sich rückengerecht eingerichtet hat. Dort taucht sie ab in Familienromane, Krimis ("Aber nur, wenn sie nicht zu rabiat sind.") oder auch gern mal in die unwirkliche Welt. "Fantasy", sagt Ingrid Genz, "so ein Märchen zwischendurch, das ist wie ein Bonbon, das den Tag versüßt."