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Broschüre des Heimatbunds über Stendal im 18. Jahrhundert Was vom friderizianischen Bauboom noch übrig ist

Von Reinhard Opitz 30.04.2011, 04:32

Eine kürzlich vom Altmärkischen Heimatbund herausgegebene Broschüre beleuchtet erstmalig das Baugeschehen in Stendal im späten 18. Jahrhundert. Über das weitere Schicksal der damals gebauten Bürger- und Kolonistenhäuser erhofft sich der Heimatbund Informationen von den heutigen Grundstücksbesitzern.

Stendal. Bei seinen Recherchen über den preußischen Oberbaudirektor Martin Friedrich Boehme fand Rolf-Herbert Krüger, Architekt und Statiker im Ruhestand, im Stendaler Stadtarchiv eine Liste von 24 in den 1770er Jahren erbauten Kolonistenhäusern. Das Besondere: Sie wurden 1777 beziehungsweise 1778 von König Friedrich II. an ihre Bewohner verschenkt (siehe Kasten rechts).

"Uns würde interessieren, was die heutigen Besitzer dieser Grundstücke über die Baugeschichte wissen, ob eventuell der Name von Boehme in den Unterlagen auftaucht", sagt Norbert Lazay, Vorsitzender des Altmärkischen Heimatbundes, im Gespräch mit der Volksstimme. Mit Hilfe der damaligen Katasternummern (jeweils in Klammern angegeben) könnten Nachforschungen möglich sein.

Krüger, ein Fachmann für preußische Baugeschichte, ist mit Hilfe der Achivmitarbeiter in Stendal reichhaltig fündig geworden, was die bisher wenig bekannte Baugeschichte der Stadt nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) betrifft. Es fanden sich Unterlagen, teilweise mit kolorierten Bauzeichnungen versehen, von mehr als 30 Kolonisten- und Bürgerhäusern, die von den königlichen Baubeamten Martin Friedrich Boehme und Johann Jacob Busse gezeichnet wurden. Krüger hat sie in seiner gerade erschienenen Schrift des Altmärkischen Heimatbunds "Stendal in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts" erstmalig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Boehme war Chef der vom König im Jahr 1770 in Stendal geschaffenen Altmärkisch-Prignitzschen Kammer-Deputation, einer preußischen Baubehörde, die den Wiederaufbau der vom Krieg gebeutelten Region organisieren sollte. Allein Stendal wies 201 wüste Stellen auf, die wieder bebaut werden sollten. Friedrich tat einiges, um Wirtschaft und Steueraufkommen anzukurbeln. Der König verfügte den Abriss von Teilen der Stadtbefestigung zur Gewinnung von Baumaterial, bewegte Bürger der Stadt mit Fördermitteln zum Bau neuer Häuser, ließ Häuser für aus anderen Regionen sich ansiedelnde Kolonisten bauen, etwa in der Haferbreite, und förderte Handwerk und Gewerbe.

Die Bürgerhäuser sind nicht mehr oder nur in vielfach umgebauten Resten erhalten. Mit einer Ausnahme: In der Weberstraße 18 steht noch heute fast unverändert das Haus des damaligen Kalkulators Kusserow. Es wird gerade saniert (die Volksstimme berichtete).