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Archäologische Grabungen im Vorfeld des Bibliotheksneubaus Wurden den Mönchen im Refektorium Austern serviert?

Von Reinhard Opitz 25.09.2009, 04:58

Tiefe Einblicke in Stendals Historie erhoffen sich Archäologen bei den Vorarbeiten für den neuen Anbau der Stadtbibliothek am Mönchskirchhof. Ein vierköpfiges Team des Halleschen Landesamts begleitet gegenwärtig den Aushub der Baugrube.

Stendal. An gesteigerter Vorstellungskraft sollte es einem Archäologen nicht mangeln. Wie sonst könnte er in einem platten Streifchen Bronzeblech einen mittelalterlichen Ring erkennen ? Uwe Weiß, Grabungsleiter eines vierköpfi gen Teams des Landesamts für Archäologie, hält diese Deutung eines Funds aus der unmittelbaren Nähe des Bibliotheksgebäudes aus dem 14. Jahrhundert für durchaus wahrscheinlich.

An der Ost- und der Nordseite des Refektoriums der einstigen Franziskaner-Klosteranlage wird seit der vergangenen Woche die Baugrube für den geplanten Bibliotheksneubau ausgehoben. Eile ist nicht geboten, denn der moderne Anbau an den gotischen Klosterrest ist erst im nächsten Jahr geplant. Gut so, dann müssen die Archäologen nicht wieder den Buhmann abgeben, der angeblich den Baufortschritt behindert. Uwe Weiß jedenfalls lobt die Zusammenarbeit mit den Männern der Baufi rma, die mit grobem Gerät, aber behutsam genug die Grube graben, in der sein Team anschließend Feinarbeit leisten kann.

Bis Mitte November wird das geschichtsträchtige Areal am Mönchskirchhof archäologisch untersucht. Die ersten Grabungsfunde sind teilweise großformatig, aber noch nicht spektakulär. Freigelegt wurden umfangreiche Fundamente und Mauerreste der früheren Theaterwerkstatt, stand doch das alte Stadttheater einst auf dem jetzigen Parkplatz Wüste Worth. Näher heran zum Refektorium tauchte Gemäuer aus Ziegeln im Klosterformat auf, das Reste von Klostergebäuden vermuten lässt.

" Aber wir sind noch nicht tief genug für weitere Funde aus der Klosterzeit ", sagt der Grabungsleiter. Bei 80 Zentimetern Aushub, wie ihn die Bodenplatte erfordert, sei erst das Niveau etwa des 18. Jahrhunderts erreicht. Er hofft, demnächst noch tiefer vorstoßen zu können, denn : " Jetzt fängt es erst an, spannend zu werden. "

In drei flachen Kisten ist die bisherige Ausbeute ausgebreitet : keramische Grauware, vor allem Bruchstücke von Gefäßen aus dem 13. bis 15. Jahrhundert, mehrere Stiele von Tonpfeifen, die grün glasierte Scherbe einer Ofenkachel aus der Renaissance, Fensterscheibenreste, die von Klostergebäuden stammen könnten. Und ein paar Austernschalen. Ob sich die Franziskanermönche in ihrem Refektorium wohl mit dieser Leckerei verwöhnen ließen ?

Der Bibliotheksneubau, der noch vom Stadtrat beschlossen werden muss, wird, wie auf dem nachgiebigen Grund der Stendaler Altstadt seit Jahrhunderten üblich, auf Bohrpfahlgründungen gestellt. " Wir haben die Grabungen auf diesem wichtigen Areal vorgezogen, damit genügend Zeit dafür bleibt ", sagt Bärbel Hornemann von der unteren Denkmalbehörde. Die freigelegten Grundmauern sollen nach Möglichkeit unter dem Neubau erhalten bleiben.