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Konstantin Wecker mit Band zu Gast im Theater der Altmark / Publikum erlebte handgemachte Live-Musik Seine Stimme erklingt mal leise, mal voluminös

Von Bettina Höft 25.09.2012, 03:15

Stendal l Ein begeisterndes Konzert gab der Liedermacher Konstantin Wecker gemeinsam mit seiner fantastischen Band am späten Sonntagnachmittag im Theater der Altmark.

"Wut und Zärtlichkeit", der Titel des jüngsten Wecker-Albums, ist eine Melange von kraftvollen Tönen und herzergreifender Lyrik. In gewohnter Manier schmetterte Wecker gleich zu Beginn unangepasst und gesellschaftskritisch seine vertonten Texte; das Publikum spürte seine Lust am Protest. Mit "Absurdistan" kritisierte er den Wachstumswahn unserer Gesellschaft, aber er stellte auch die ein oder andere kritische Frage: "Wir brauchen Kinder die funktionieren - wer braucht schon ein Kind, das lacht?" Seinen Widerstand gegen Finanz-Jongleure und Spekulanten besang er mit "Empört Euch".

Atmosphärisch dramatische Trommelattacken wechselten sich mit Klassikern aus den Siebzigern wie "Liebeslied" und mit Zeilen wie "Kein Ende in Sicht, den Anfang verprasst, noch lang nicht erfasst, doch immerhin: leben im Leben!" ab. Wecker, der Schweigen für Betrug hält, lief mit dem Scharfsinn des politisch denkenden und wachsamen Menschen zur Hochform auf. Seine Band bot Hörgenuss vom Feinsten. Sein "musikalischer Lebensgefährte", der Pianist und Keyboarder Jo Barnikel, lieferte mit Wecker ein mitreißendes Duell, sie improvisierten hingebungsvoll Melodien, und man hörte übergreifend sogar zarte Kinderlieder.

Der Däne Nils Tuxen demonstrierte auf der seltenen, schwer zu spielenden Pedal-Steel-Gitarre und verschiedenen anderen Gitarren eine ungeheure Vielfalt. Genauso wie Jens Fischer-Rodrian, der trommelte, Gitarre, Bass und diverse Perkussionsinstrumente spielte. Ob fantastische leichte Jazzmelodien, rassiger Rock oder Reggae-Klänge, das Publikum erlebte handgemachte Live-Musik.

Doch inmitten all der Dynamik - Weckers unbeschreibliche Stimme, so leise und doch voller Volumen. Mit schmelzendem Pathos interpretierte er Rilke, Goethe, Kästner und Brecht. Diese Poesie verzaubert ihn und lässt ihn Zuspruch sowie Trost finden. Mit ihr verschaffte er sich auch Gehör, auf treffliche Weise und wie es steht in seinem Buch "Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar".

Fast schon Kabarett bot er gleichwohl mit seinem aktuellen Kanzlerinnen-Song "Am Nordpol schmolz der Schnee, da zeigte meine Kanzlerin ihr pralles Dekolleté" oder "Die Dame vom KÖ", mit gezierter Betonung auf das langgezogene "Ö", bei viel Geld im Portmonööö. Wecker zitierte in diesem Konzert oft seinen Lieblingsdichter Kästner so: "Nicht gut sein, sondern vernünftig". Wecker war beides, als er sogar mitten im Saal sang, befeuerte ihn das Publikum, und am Ende gab er eine regelrechte Zugaben-Rallye, denn das Theater stampfte, jubelte und natürlich stehende Ovationen, eben leben im Leben.